Kann das bedingungslose Grundeinkommen funktionieren?

"Es macht frei"

Jeder zweite Deutsche ist für die Einführung des bedingungslosen Grundeinkommens - so das Ergebnis einer aktuellen Umfrage. Der Kölner Pfarrer Franz Meurer erklärt im Interview, warum er dieses Modell für sinnvoll erachtet.

Debatte um das bedingungslose Grundeinkommen / © Karl-Josef Hildenbrand (dpa)
Debatte um das bedingungslose Grundeinkommen / © Karl-Josef Hildenbrand ( dpa )

domradio.de: Aus christlicher Sicht gefragt: Wäre dieses bedingungslose Grundeinkommen, das jeder Bürger einfach so bekäme, gerecht?

Franz Meurer (Katholischer Priester im Kölner Stadtteil Vingst): Ja und Nein; wie immer bei der Frage der Gerechtigkeit. Denn was Gerechtigkeit ist, kriegt man kaum raus. Natürlich bin ich - wie die KAB, die Katholische Arbeiterbewegung - grundsätzlich für das Grundeinkommen. Aber: Ich sage, die Menschen müssen auch eine soziale Gegenleistung erbringen. Sie müssen sich beteiligen, zum Beispiel im Bereich der sozialen Arbeit, sei das mit 50 Stunden oder 18 Stunden.

Warum bin ich der Meinung? Wir haben hier bei uns in der Gemeinde jeden Tag Ein-Euro-Jobber oder Menschen, die Sozialstunden ableisten. Das sind sieben, acht Menschen pro Tag, manchmal mehr. Die pflanzen Blümchen, die machen die Hundetütenbehälter wieder fit und so weiter. Die wollen alle arbeiten! Das heißt, die wollen nicht einfach alimentiert werden, sondern jeder Mensch will für das Gemeinwohl etwas tun.

domradio.de: Wenn wir also das Grundeinkommen hätten und keiner gezwungen wäre zu arbeiten, glauben Sie, dass die Menschen dann trotzdem auch Verpflichtung oder Dankbarkeit zeigen würden und deswegen freiwillig für ihr Geld etwas machen wollen?

Meurer: Natürlich! Erstens möchten die Menschen das so und zweitens: Wenn die einen Profit haben, dann soll die Gesellschaft auch einen Profit haben. Es müsste also ein Vertrag auf Gegenseitigkeit sein. Wenn Sie zum Beispiel wunderbaren Flötenunterricht geben wollen, dann geben Sie doch Flötenunterricht in der Schule. Oder wenn jemand anderes gerne draußen arbeitet, was weiß ich, vielleicht Blumen pflanzen, Rasenmähen, Dreck wegmachen, dann soll er das machen! Man könnte alles Mögliche machen. Man kann auch sagen, dass der, der mal als Lehrer gearbeitet hat, jetzt Unterricht gibt und so weiter. Die Möglichkeiten sind enorm.

Ein wichtiger Aspekt ist dahingehend auch der demographische Wandel: 2035 hat jeder zweite Deutsche keine Kinder mehr. Wie organisieren wir dann die Pflege und die Betreuung der Senioren? Das weiß noch niemand so richtig. In dem Bereich gibt es viele Möglichkeiten, zum Beispiel Assistenz für Menschen, die dement sind, für Senioren einkaufen gehen, Behördengänge absolvieren und so weiter. All das kann man jetzt auch schon machen, mit dem bedingungslosen Grundeinkommen wäre das aber auf eine bessere Grundlage gestellt.

domardio.de:  Sie treten für den Gedanken "Hilfe zur Selbsthilfe" ein. Entspricht so ein Grundeinkommen diesem Gedanken?

Meurer:  Ja, und es entspricht nicht nur dem Gedanken "Hilfe zur Selbsthilfe" sondern bedeutet auch Selbstverpflichtung als Entgelt für eine Unterstützung. Das heißt, man würde eine Grundversorgung eintauschen gegen ein im moderaten Rahmen vorbereitetes Engagement für die Gesellschaft und die Gemeinschaft. Davon profitierten würden wir und der Einzelne.

domradio.de: Diese Studie sagt, dass fast jeder Zweite auch die Gefahr sieht, dass Menschen durch ein Grundeinkommen abhängiger vom Staat würden. Sehen Sie das auch so?

Meurer:  Also dazu möchte ich im Grunde nichts sagen. Ich kann mir das schwer vorstellen. Es mag solche Menschen geben, die dann nur ihrem eigenen Hobby nachgehen. Aber das wäre ja durch meine Gedanken, nämlich dass man sich engagieren muss, irgendwie konterkariert. Denn das Grundeinkommen macht einen frei, weil man genau das machen kann, was einem liegt, wenn man eine Grundsicherung hat.

Das Interview führte Uta Vorbrodt.


Pfarrer Franz Meurer / © Melanie Trimborn (DR)
Pfarrer Franz Meurer / © Melanie Trimborn ( DR )
Quelle:
DR