San Francisco gibt Rekordsumme gegen Obdachlosigkeit aus

Auf der Straße zuhause

Sie prägen das Stadtbild von New York bis Los Angeles - Hunderttausende Obdachlose. Sie sind Opfer des Reichtums, weil sie sich Wohnraum nicht mehr leisten können, wo gutes Geld verdient wird. San Francisco geht jetzt neue Wege.

Autor/in:
Bernd Tenhage
Obdachlose in den USA / © Justin Lane (dpa)
Obdachlose in den USA / © Justin Lane ( dpa )

Plötzlich ist Geld da. Eine Menge sogar. 100 Millionen US-Dollar. Nicht für einen Prestigebau im Stadtzentrum, sondern für Obdachlose: für die "Homeless" von San Francisco. Der unglaubliche Millionensegen fließt nicht aus der Kasse der vielbesungenen Westküstenmetropole. Er stammt von privaten Spendern.

Es ist die größte Einzelspende in der Geschichte der Stadt - und möglicherweise der Katalysator, der hilft, die chronische Obdachlosigkeit auf den Straßen von San Francisco endlich in den Griff zu bekommen. Offiziell gibt es in der beliebten Wohnstadt des nahen Silicon Valley rund 2.000 Menschen ohne permanente Adresse. Dazu zählt, wer mindestens ein Jahr kein Dach über dem Kopf hatte und geistig oder körperlich behindert ist.

Armut und Obdachlosigkeit den Kampf angesagt

"Wir haben die ganze Zeit über nicht viel vom privaten Sektor gesehen", meint Daniel Lurie, Mitbegründer von "Tipping Point", einer Non-Profit-Organisation, die Armut und Obdachlosigkeit den Kampf angesagt hat. "Tipping Point" hat sich zur Aufgabe gesetzt, den Zusammenhang zwischen dem Boom der Hightech-Branche, steigender Nachfrage nach teurem Wohnraum und den Auswirkungen auf die Menschen in der Stadt aufzuzeigen.

Lurie spricht von einem massiven Ungleichgewicht. In San Francisco setzten die Superreichen die Maßstäbe; die Konsequenzen müssten die Ärmsten ausbaden. Dank der Lobby-Arbeit für die "Homeless" hat die Hightech-Industrie der Region ihr schlechtes Gewissen entdeckt und kräftig gespendet. Andere Branchen schlossen sich an.

Bürgermeister Ed Lee hält das Thema Obdachlosigkeit für komplex - und glaubt nicht an einen alles klärenden Königsweg. Aber er will neue Ideen fördern und das Problem aus verschiedenen Richtungen angehen. Durch "Tipping Point" verfügt die Stadt jetzt über enorme Ressourcen.

Wachsende Zahl von Wohnungslosen in den USA

Davon können andere Städte nur träumen. Eine aktuelle Statistik hat kürzlich exakt 564.708 US-Bürger als obdachlos ausgemacht; und davon lebten mehr als 200.000 in Familienverbänden. Viele Kinder (25 Prozent), aber auch Kriegsveteranen, die körperlich oder posttraumatisch eingeschränkt sind. Ausgerechnet Washington hat die höchste Rate obdachloser Veteranen.

Ähnlich die Situation anderer US-Städte. New York verzeichnet aktuell den höchsten Stand an Obdachlosen seit der "Großen Depression" 1929.

Dabei hatte Bürgermeister Bill de Blasio schon vor zwei Jahren 200.000 bezahlbare Wohnungen versprochen. Auch in Los Angeles wächst das Heer der "Tippelbrüder" seit Jahren. Dort lebt, ebenso wie in New York, jeder fünfte Obdachlose, gefolgt von Las Vegas, Seattle und San Diego.

Menschenrechtler halten Obdachlosigkeit in den USA obendrein für ein Rassismusproblem. Tatsächlich sind rund 60 Prozent aller Menschen ohne feste Adresse schwarz. Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung beträgt nur ein Viertel.

Menschen in feste Wohnungen bringen

Zu leiden haben die Obdachlosen auch unter ständigen Versuchen, sie zu kriminalisieren. Besonders berüchtigt sind die Razzien der New Yorker Polizei, die zwischen drei und fünf Uhr morgens in die Schlafquartiere kommen, um jene zu verhaften, die irgendwann öffentlich uriniert hatten.

In San Francisco wollen die Stadt und "Tipping Point" nun einiges anders machen. Inzwischen konnte die Bettenzahl für psychisch labile Obdachlose von 45 auf 79 erweitert werden. Mit dem gemeinnützigen Partner "Brilliant Point" sollen nun vorübergehende Wohnungen zu permanenten Bleiben ausgebaut werden.

Kalifornische Städte haben zuletzt ihre Bemühungen verstärkt, Menschen von der Straße in feste Wohnungen zu bringen. Für Daniel Lurie von "Tipping Point" gibt es keinen Zweifel: Obdachlosigkeit sei in den Städten "die Frage unserer Zeit".


Quelle:
KNA