"Woche des Care-Pakets" erinnert an Ursprünge von Care

Reis, Mais und Kaugummi

Vor rund 70 Jahren haben die ersten Care-Pakete Europa erreicht. Mit dem Inhalt der amerikanischen Hilfslieferungen mussten manche Empfänger erst umzugehen lernen.

Autor/in:
Christopher Beschnitt
Inhalt eines CARE-Pakets / © Gregor Fischer (dpa)
Inhalt eines CARE-Pakets / © Gregor Fischer ( dpa )

Reis? "Kannten wir bis dahin gar nicht." Mais? "Auch nicht, den haben wir den Hühnern gegeben, weil wir dachten, das wäre Vogelfutter." Und Kaugummi? "Hab ich damals zum ersten Mal gesehen. War zäh, aber lecker." Reis, Mais, Kaugummi - Lebensmittel wie diese hat Gudrun Nositschka einst aus ihrem ersten Care-Paket geholt. 1946 war das und Nositschka, die aus Gladbeck im Ruhrgebiet stammt, damals fünf Jahre alt. Heute ist sie 75 - und gesund und zufrieden, wie sie sagt. "Dass das so ist, verdanke ich auch Care." In der Not der unmittelbaren Nachkriegszeit hätten die Pakete aus den USA zur Versorgung mit Lebensmitteln beigetragen.

Nositschka erzählt diese Geschichte aus Anlass der "Woche des Care-Pakets", die noch bis Sonntag läuft. Der deutsche Ableger von Care will damit an die Anfänge der Organisation erinnern und auf sein aktuelles Engagement in Krisenregionen hinweisen.

Nahrung, Kleidung, Spielzeug

Ein wichtiges Datum in der Geschichte von Care ist der 9. Mai 1946. Damals kamen die ersten Hilfspakete mit Nahrung, Kleidung und Spielzeug nach Europa. Zehn Millionen davon erreichten bis 1949 allein Deutschland. Sie sollten die Not der Menschen auf dem Kontinent lindern, die nach Ende des Zweiten Weltkriegs mit Hunger und Armut zu kämpfen hatten. Hinter der Aktion standen mehrere amerikanische Wohlfahrtsverbände, die sich zur Initiative Care zusammengeschlossen hatten. Das Kürzel "Cooperative for American Remittances to Europe" ("Verbund für amerikanische Überweisungen nach Europa"), entsprach dem englischen Wort "Fürsorge".

Die aktuelle Aktionswoche soll darauf aufmerksam machen, dass die Fürsorge von Care nach wie vor nötig ist - inzwischen auch wieder in Deutschland. Hierzulande kümmert sich Care um die Integration von Flüchtlingskindern. Und einstige Care-Profiteure wie Gudrun Nositschka geben darüber hinaus privat etwas von dem zurück, was sie selbst seinerzeit bekamen.

Flüchtlinge für Flüchtlinge

"Ich bringe Flüchtlingen Deutsch bei oder unterstütze sie bei Arztbesuchen", sagt Nositschka. Flüchtlingen wie Maram und Omran Almesh. Die beiden Syrer - sie 24, er 27 - sind vor dem Krieg in ihrer Heimat geflohen. Mittlerweile wohnen sie im westfälischen Castrop-Rauxel. Bevor sie dorthin kamen, lebten sie zunächst im syrischen Nachbarland Jordanien - und engagierten sich dort als Flüchtlinge für Flüchtlinge, ebenfalls für Care.

"Wir haben uns dabei kennen und lieben gelernt", erzählt Omran Almesh. Ganz abgesehen davon, dass Care für das private Glück des Ehepaares sorgte, sei die Arbeit unglaublich erfüllend gewesen, sagt Almesh. "Es war jedes Mal so schön, Menschen, die Schlimmstes erlebt haben, wieder lächeln zu sehen, nachdem ich ihnen hatte helfen können." Seine Frau Maram ergänzt: "Diese Dankbarkeit, die die Leute dann ausgestrahlt haben, die hat mich tief berührt."

Geste der Versöhnung

"Tief berührt" - diese Wendung benutzt auch Gudrun Nositschka. Als sie sich an die Care-Pakete in ihrer Kindheit erinnert. "Mein Großvater hat damals häufig gesagt, was das für eine große Geste ist: dass Menschen, die kurz vorher noch unsere Feinde gewesen waren, uns jetzt halfen - trotz der ganzen schlimmen Geschichte mit dem furchtbaren Krieg. Diese Erkenntnis hat mich damals tief berührt, sie tut es bis heute."

Aber auch Kriege gibt es bis heute - ein Zustand, der Gudrun Nositschka wütend macht. "Wenn ich die Bilder aus Syrien sehe, kann ich das kaum ertragen. Ich habe früher ja Ähnliches mitgemacht. Bis heute ist mein erster Impuls, wenn ich eine Sirene höre, mich in irgendeinem Stollen vor Bomben zu verstecken." Nositschkas Stimme wird brüchig, sie schluckt. "Dass die Weltgemeinschaft dagegen so wenig ausrichtet, das ärgert mich unheimlich." Sie hofft mit Maram und Omran Almesh, dass in Syrien der Krieg endlich ein Ende findet. "Wenn die Friedensbemühungen nur nicht so zäh wären", sagt sie. Zäh wie einst ihr erster Kaugummi.


Quelle:
KNA