Wieder mehr Drogentote in Deutschland

"Die Hoffnung verliert man nicht"

Aus einer Drogensucht kann schnell ein Kampf um Leben und Tod werden. Wer verliert, zahlt mit seinem Leben. 2016 waren das 1.333 Menschen, Tendenz steigend. Helfer lassen sich davon aber nicht entmutigen.

Autor/in:
Aleksandra Bakmaz
Drogensüchtiger "kocht" Heroin / © Boris Roessler (dpa)
Drogensüchtiger "kocht" Heroin / © Boris Roessler ( dpa )

Heroin ist die Droge der Verzweifelten. Sie verspricht einen Flug voller Wonne und Wärme und sorgt gleichzeitig für den tiefsten Fall. Wie tief man fallen kann, zeigt die Bundesregierung ein Mal im Jahr. In einer Pressekonferenz stellt die Drogenbeauftragte Marlene Mortler (CSU) die aktuelle Zahl der Drogentoten vor. Im vergangenen Jahr sind bundesweit 1.333 Menschen ihrem Konsum zum Opfer gefallen - der vierte Anstieg in Folge, berichtet Mortler am Montag in Berlin. Nicht alle von ihnen, aber der Großteil war heroinabhängig.

Ralf Köhnlein weiß genau, wie es solchen Menschen geht. Der Sozialarbeiter leistet seit Jahren Überlebenshilfe für Suchtkranke. Bei Fixpunkt Berlin kümmerte er sich auch schon um die Süchtigen vom "Kotti", dem Kottbusser Tor - einem der gefürchtetsten Drogen-Hotspots Berlins. Seine Schützlinge stehen oft am Abgrund, haben nichts zu verlieren. Genau auf solche Fälle ist sein Arbeitgeber spezialisiert.

"Suchtkarrieren" mit Kontrollverlust

Fixpunkt ist eine sogenannte niedrigschwellige Einrichtung. Das heißt: "Die Menschen können ohne Bedingungen zu uns kommen, es gibt keinen Abstinenz- oder Clean-Anspruch", erzählt der 39-Jährige. "Wir haben es sozusagen mit der Masse zu tun und vermitteln in die Drogenhilfe, in Krankenhäuser oder zu niedergelassenen Ärzten."

Es gebe sehr unterschiedliche Motive, weshalb Menschen die Einrichtung aufsuchten. Der Klassiker: Probleme mit dem Amt. Manchmal seien es aber auch die grundlegenden Bedürfnisse: Wäschewaschen, Duschen, saubere Spritzen.

Köhnleins Klienten sind in der Regel mehrfachsüchtig. Die Heroinabhängigkeit stehe im Vordergrund. Einige sind obdachlos. "Eine "Suchtkarriere" erstreckt sich oft über Jahre und geht mit Kontrollverlust einher", sagt Köhnlein. Kontrollverlust heißt oft auch Wohnungsverlust. Nicht alle stehen am Rand der Gesellschaft. "Es gibt Süchtige - das könnte mein Nachbar sein."

Drogen leichter zu beschaffen

Doch wer oder was ist dafür verantwortlich, dass ein Süchtiger an seiner Sucht stirbt? Eine einfache Erklärung dafür, dass immer mehr Menschen ihrer Sucht zum Opfer fallen, gebe es nicht, erklärt die Drogenbeauftragte Mortler. "Da kommen viele Dinge zusammen." Probleme mache die Bandbreite an verfügbaren Substanzen und ein zunehmender Mischkonsum.

Für den Chef des Bundeskriminalamtes, Holger Münch, dagegen gibt es mindestens einen Hauptschuldigen: den Markt. Er wachse, so wie die Anbauflächen für Drogen weltweit, sagt Münch bei der Vorstellung des Rauschgiftberichts, in dem auch über die Drogentoten berichtet wird.

Globalisierung und Digitalisierung prägten auch die Rauschgiftkriminalität. Der Verkauf illegaler Drogen verschiebe sich immer öfter von der Straße ins Internet. Dieser Vertriebsweg sei fest im Blick, bekräftigt Münch. Um noch besser aufgestellt zu sein, sollen bald "Cybercops" ausgebildet werden. Ein Arbeitstitel, wie Münch betont. Die Spezialkräfte sollen auf illegalen Handelsplattformen eingesetzt werden.

Wie der Überlebenskampf eines Süchtigen in den letzten Stunden seines Lebens aussieht, beschreibt Köhnlein so: Flache Atmung, Kampf, Einsamkeit - Atemstillstand. Auch nach jahrelanger Erfahrung nimmt den Sozialarbeiter der Tod eines Schützlings mit. "Um das zu verarbeiten, spricht man mit seinen Kollegen oder nutzt professionelle Hilfe", sagt der Sozialarbeiter.

Weitergehen müsse es trotzdem. "Es kommen immer wieder neue Menschen und neue Herausforderungen - die Hoffnung verliert man nicht." Seine Haupttriebfeder: "Ich bin davon überzeugt, dass jeder Mensch das Recht hat, das bestmögliche Leben zu führen."


Quelle:
dpa