Kirchenpräsident übt Kritik an de Maizières "Leitkultur"-Aussagen

"Unglücklich und von gestern"

In der "Leitkultur"-Debatte hat sich der evangelisch-reformierte Kirchenpräsident Martin Heimbucher für eine "europäische Kultur des Miteinanders" ausgesprochen. De Maizière habe versucht, "Leitkultur" vor der AfD politisch zu besetzen, so der Theologe.

Dr. Martin Heimbucher, Kirchenpräsident der Evangelisch-reformierten Kirche / © Jens Schulze (Evangelisch-reformierte Kirche)

Die von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) ausgelöste Diskussion um eine deutsche Leitkultur greife zu kurz, sagte Heimbucher am Dienstag in Leer dem Evangelischen Pressedienst (epd). Zwar gebe bei den zehn Thesen des Ministers interessante Ansätze, doch störe ihn die binnen-deutsche Ausrichtung.

"Seiner Ansicht nach habe de Maizière versucht, den Begriff "Leitkultur" politisch zu besetzen, bevor die Partei AfD ihn für den Wahlkampf benutzen könne, sagte der Theologe. Doch sei der Begriff unglücklich, weil er als Anspruch auf eine überlegene und führende Kultur missverstanden werden könne.

"Dafür lohnt sich zu kämpfen"

"Kultur ist etwas, was sich entwickelt und was gelebt werden muss", sagte Heimbucher. Die Kultur in Deutschland habe sich ständig weiter entwickelt und sei enorm vielfältig. Die Beatles aus England oder Michael Jackson aus den USA hätten ihre Spuren ebenso hinterlassen wie die Küche Italiens oder die Mode aus Frankreich.

"Entscheidend für eine Kultur des Miteinanders ist die Frage, wie wir mit den vom Mainstream abweichenden Minderheiten umgehen", sagte Heimbucher. In Deutschland dürfe jeder Mensch seine Meinung offen sagen, ohne dabei um Leib und Leben fürchten zu müssen. "Dafür lohnt es sich zu kämpfen."

Menschenwürde und Gleichberechtigung

Das Grundgesetz schütze dies. "Aber es genügt nicht, die Buchstaben der Verfassung zu befolgen", betonte Heimbucher. "Menschenwürde und Gleichberechtigung müssen im Alltag gelebt werden." Wo diese Prinzipien verletzt würden, "müssen wir aufstehen und sagen: So reden wir nicht miteinander, so gehen wir nicht miteinander um".

Als Beispiel für ein europäisches Miteinander nannte Heimbucher die Reaktion der Fußballfans nach dem Anschlag auf den Mannschaftsbus von Borussia Dortmund. Die Dortmunder Fans hätten die Fans des AS Monaco nicht gemieden oder sie des Anschlags verdächtigt: "Sondern sie haben sie zu sich nach Hause eingeladen und mit ihnen gefeiert. Das ist gelebte europäische Kultur", sagte Heimbucher: "Wenn wir ein solches Miteinander pflegen, dann ist die Debatte um eine deutsche Leitkultur ein Thema von gestern."

Jörg Nielsen


Quelle:
epd