Aktivistin fordert bessere Arbeitsbedingungen in Textilindustrie

Politik soll die Fäden ziehen

Welche Lehren wurden aus dem verheerenden Einsturz der Rana-Plaza-Textilfabrik in Bangladesch vor vier Jahren gezogen? Der eingeschlagene Weg sei zwar gut, aber noch weit, sagt Aktivistin Gisela Burckhardt gegenüber domradio.de.

Textilindustrie in Bangladesch / © Doreen Fiedler (dpa)
Textilindustrie in Bangladesch / © Doreen Fiedler ( dpa )

domradio.de: Sie setzen sich mit Ihrem Verein FEMNET für gerechte Arbeitsbedingungen in der Bekleidungsindustrie ein. Billigkleidung kam in den letzten Jahren vor allem aus Bangladesch, Pakistan oder China. Neuerdings hat die Bekleidungsindustrie auch noch Äthiopien als neuen Produktionsstandort entdeckt. Noch schlechtere Arbeitsbedingungen kann man sich ja fast gar nicht vorstellen, oder wie ist die Situation da?

Dr. Gisela Burckhardt (Vorstandsvorsitzende FEMNET e. V.): Äthiopien ist bisher noch ein relativ kleiner Markt. Die Fabriken, die es dort gibt, können jetzt noch nicht massenmäßig mit denen in Bangladesch, China oder auch in der Türkei konkurrieren. Es ist ein aufkommender Markt mit ähnlich niedrigen Lohnkosten wie in Bangladesch. Wichtig aber ist zu erwähnen, gerade wenn man in Afrika produziert, dass zumindest  Länder wie Äthiopien einen zollfreien Zugang zum europäischem Markt haben und das könnte natürlich in Zukunft interessant werden, denn wenn keine Zölle erhoben werden, dann macht das natürlich die Produktion billiger.

domradio.de: Heute jährt sich der Fabrikeinsturz in Bangladesch schon zum vierten Mal. Eine der größten Katastrophen in dem Bereich. Über 1.000 Menschen sind gestorben und damals hieß es ja, dass so etwas nicht nochmal passieren darf. Hat sich in der Zwischenzeit denn was getan?

Burckhardt: Der Einsturz der Fabrik in Rana Plaza war natürlich die schrecklichste Katastrophe in der Textilindustrie überhaupt mit rund 1,100 Toten und über 2.500 Verletzten. Inzwischen hat sich aber einiges getan. Es gibt das Gebäudebrandschutzabkommen, der sogenannte "Accord", wonach jetzt die rund 2.000 Fabriken in Hinblick auf Statik und Elektrik überprüft werden. Folglich hat sich die Situation für die Arbeiterinnen leicht verbessert, die in Zukunft hoffentlich solchen Katastrophen nicht mehr ausgesetzt sind.

Die Arbeitsbedingungen selber haben sich dadurch leider nicht verändert. Wir haben immer noch, gerade in Bangladesch, furchtbar niedrige Löhne. Seit drei Jahren ist der Mindestlohn nicht erhöht worden, wohingegen die Lebenshaltungskosten massiv gestiegen sind. Das alles ist nicht wirklich positiv zu bewerten, sodass wir auch als FEMNET auf unsere Transparenzforderungen hinweisen. Denn wenn man in den Trümmern von Rana Plaza mühsam nach den Logos und Schildern suchen muss, um herauszufinden, wer dort eigentlich produzieren lässt, ist das für uns keine haltbare Situation.

Es war für uns damals sehr schwierig, die Verantwortlichen dieser Katastrophe herauszufinden. Deswegen haben wir weltweit 70 Unternehmen angeschrieben und verlangen von denen, dass sie ihre Lieferkette offenlegen und sagen, wo sie produzieren lassen, in welcher Fabrik und mit wie vielen Arbeiterinnen. Dieser Transparenzkampagne haben sich immerhin schon Adidas und Esprit angeschlossen, und wir wissen auch von Lidl, Aldi und Tchibo, dass sie sich auch auf einem guten Weg befinden. Im Gegensatz dazu haben sich KiK und Hugo Boss noch nicht der Kampagne angeschlossen.

domradio.de: Es gibt nach wie vor Unternehmen, die gerne verschleiern, wo sie produzieren. Wie sieht das denn beim Konsumenten aus? Gibt es da ein Bewusstsein für diese Problematik?

Burckhardt: Naja, ich denke schon, dass es da inzwischen eine starke Bewegung gibt. Die hat vielleicht noch nicht die Masse erfasst, aber inzwischen ist fast allen, die sich ein bisschen mit dem Thema beschäftigen, klar, dass faire Mode auch schicke Mode ist. Wir als FEMNET kamen deshalb auch mit dem "Beneficial Design"-Institut zusammen, um ein Fair-Fashion-Guide zu erstellen. Der ist ab heute auch bei uns auf der Webseite abrufbar.

Wir wollen klar machen, dass es darauf ankommt, dass man seinen Kleiderschrank ein wenig umstrukturiert. Es ist wichtig, dass man vielleicht bewusster einkauft, weniger kauft und sich auch an Tauschbörsen beteiligt oder Secondhand Kleidung kauft. Das alles soll dazu führen, dass man seinen Kleiderschrank etwas reduziert und lieber bewusst ein paar wichtige Stücke hat, die man dann mit anderen kombiniert. Und sich eben sicher sein kann, dass diese fair hergestellt sind und man auch kein Blut an der Kleidung kleben hat.

domradio.de: Und wie sieht das in der Politik aus? Bundesentwicklungsminister Müller hat 2014 das Bündnis für nachhaltige Textilien auf den Weg gebracht. Das ist eine freiwillige Selbstverpflichtung von Unternehmen, die Arbeits- und Lebensbedingungen in der Textilindustrie in Niedriglohnländern verbessern soll. Funktioniert das mit der Freiwilligkeit?

Burckhardt: Es muss auf jeden Fall noch mehr passieren, das ist noch nicht ausreichend. Wir setzen uns auch ganz dezidiert für gesetzliche Regelungen ein. Denn das würde alle erfassen und nicht nur diejenigen, die bei einem freiwilligen Bündnis mitmachen. Wenn man hier Gerechtigkeit schaffen will und Wettbewerbsgleichheit unter allen Unternehmen, wäre es schon sinnvoll, dass auch die Bundesregierung sich endlich dazu durchringt, gesetzliche Regelungen zu schaffen.

In Frankreich gibt es diese Regelungen schon. Auch in England gibt es ein "UK Slavery Act", der sich gegen die Sklavenarbeit richtet. In dem Punkt ist die Bundesregierung absolut im Vollzug und müsste da reagieren. Nur bisher können wir das leider nicht sehen. Man hat sich bis jetzt nur auf ein freiwilliges Textilbündnis geeinigt. Umso wichtiger ist es, dass wir hier jetzt auch ein bisschen vorankommen und auf diese Weise andere unter Druck setzen. Damit das Thema dann auch in der Öffentlichkeit bekannter wird und vor allem bekannt wird, welche dieser Unternehmen bereit sind, etwas zu tun. Aber eben auch, dass es viele andere gibt, die eben nicht mitmachen sich da bisher vornehm zurücknehmen.

Das Interview führte Silvia Ochlast.


Quelle:
DR