Nach den Explosionen in Dortmund

"Wir können darauf nur reagieren, indem alle zusammenstehen"

Es war ein Schock für den Fußball - nicht nur in Dortmund: Am Dienstag explodierten drei Sprengsätze am Mannschaftsbuss von Borussia Dortmund. Am Tag danach ist die Betroffenheit, aber auch der Durchhaltewille überall präsent.

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Das Interview führte Hilde Regeniter
Polizisten in Dortmund / © Marius Becker (dpa)
Polizisten in Dortmund / © Marius Becker ( dpa )

domradio.de: Sie sind ein großer Fan von Borussia Dortmund und waren auf dem Weg ins Stadion, wie haben Sie die Geschehnisse gestern erlebt?

Karsten Haug (Gemeindereferent Dreifaltigkeitskirche Dortmund): Ich glaube, dass ich das erstmal so gar nicht als "Terroranschlag" wahrgenommen habe, weil da erstmal von einer Explosion beim Mannschaftsbus die Rede war und ich an einen Motorschaden oder etwas in der Art gedacht habe. Das sickerte alles scheibchenweise durch und je mehr Details sichtbar und hörbar wurden, desto betroffener waren die Menschen. Ein Anschlag in Dortmund, in meiner Heimatstadt, dann auf meine Mannschaft, auf meinen Verein, das ist kaum zu begreifen.

domradio.de: Sie leben in Dortmund, arbeiten dort als Seelsorger - wie erleben Sie die Atmosphäre zurzeit?

Haug: Ich glaube, dass ganz viele Menschen noch betroffen sind, sie zeigen auch in ihren Äußerungen, dass sie sich so etwas nicht vorstellen konnten. Aber es gibt auch so eine "Jetzt-erst-recht-Mentalität", ganz viele Fans schreiben jetzt "Wir sind auf dem Weg zum Stadion" und ich glaube, das ist auch angebracht.

domradio.de: Schon gestern skandierten die Fans von Monaco Dortmund-Rufe und haben so ihre Solidarität ausgedrückt. Zeigt so eine Situation, dass Fußball die Menschen auch zusammenbringen kann?

Haug: Ich glaube, nur so können wir igendwie auf diese Situation von Terror und Hass reagieren, indem die Menschen über alle Gesellschaftsgrenzen hinweg zusammenstehen. Gerade beim Fußball geht es um Sport, um Freude, um Motivation - natürlich geht es auch um Konkurrenz - aber nichts desto trotz heißt das jetzt, wirklich zusammen zu stehen.

domradio.de: Dortmund ist eine Stadt der Kontraste, es gibt eine starke Antifa-Szene, ebenso Neonazis, aber auch viele Islamisten. Wie geschlossen oder zerstritten ist Dortmund?

Haug: Als Seelsorger in der Nordstadt bekomme ich von einer islamistischen Szene nicht viel mit, die ist eher im Untergrund. Mit vielen Imamen, mit denen ich zusammenarbeite, kann man sich wirklich auf Augehöhe begegnen. Klar, es gibt eine Antifa-Szene, für die rechtsradikale Szene ist Dortmund bekannt. Ich glaube schon, dass in den letzten Jahren unheimlich viel getan worden ist, auch von Seiten des BVB, das muss man einfach sagen: Gerade gegen Rechtsradikalismus haben die immer wieder ein Zeichen gesetzt und ich glaube, dass wir nur so weitermachen können, allerdings würde ich mir natürlich wünschen, dass mehr aufstehen. Wenn wirklich irgendwann mal klar sein sollte, dass es ein islamistischer Terroranschlag war, dann wünsche ich mir natürlich auch ein klares Bekenntnis der Musliminnen und Muslime, der Imame hier in Dortmund, dass sowas nicht möglich ist.

domradio.de: Das Spiel soll an diesem Mittwoch nachgeholt werden. Gehen Sie hin?

Haug: Ich gehe hin und habe auch ein mulmiges Gefühl. Das habe ich aber schon länger, also seit zwei, drei Jahren, seitdem es immer wieder Anschläge gibt, gerade auch das Spiel im Stade de France in Frankreich, wo man mit Bomben ins Stadion wollte, da habe ich mir auch gedacht: Ist das eigentlich im Signal-Iduna-Park möglich? Kann man das überhaupt ausschließen? Kann das verhindert werden? Das wage ich zu bezweifeln, da macht man sich dann schon Gedanken. Aber ich möchte heute meine Mannschaft unterstützen.


Quelle:
DR