Glaube in caritativen Altenheimen

"Seelsorge ist wie ein Buffet"

Seelsorge im Altenheim sei höchst individuell, sagt Bruno Schrage, Referent für Caritaspastoral, im domradio.de-Interview. Sie gleiche einem Buffet: Jeder könne sich aussuchen, was er mag und braucht.

Gottesdienst in einem Altenheim / © Sebastian Gollnow (dpa)
Gottesdienst in einem Altenheim / © Sebastian Gollnow ( dpa )

domradio.de:  Wenn Oma oder Opa nicht mehr alleine zu Hause wohnen können, dann stellt sich für viele Familien die Frage, welches Altenheim das Richtige ist. Neben der Größe des Zimmers oder den Kosten steht auch oft die Überlegung im Raum, ob das Heim einen katholischen Träger haben soll. Mit caritativen Einrichtungen verbinden die meisten dann auch Seelsorge, seelsorgliche Gespräche, religiöse Rituale, Gottesdienste, Gesprächskreise oder die Gestaltung von Kirchenjahresfesten. Dies ist das Thema einer Tagung an diesem Dienstag, bei dem das Erzbischöfliche Generalvikariat Köln und der Kölner Diözesancaritasverband alle Mitarbeitenden in den stationären Altenhilfeeinrichtungen, pastoralen Diensten und Leitungsverantwortliche zum Austausch ins Kölner Maternushaus einlädt. Wie sieht Altenheimseelsorge konkret aus?

Elmar Trapp (Regionalbeauftragter für Altenheimseelsorge im Stadtdekanat Köln): Altenheimseelsorge ist mehr als nur Rituale und Gottesdienst. Vor ein paar Jahren hatten wir ein Forum, das nannte sich "Altenheimseelsorge – mehr als eine schöne Kapelle". Und wir verbinden damit nicht nur diese Rituale, nicht nur Gottesdienste, die Heilige Messe, was natürlich auch dazugehört, aber eben auch intensive Einzelbegleitung am Ende des Lebens. Überhaupt gibt in all den Abbruch- und Grenzsituationen, die uns im Altenheim für die Bewohnerinnen und Bewohner, für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, für die Leitungskräfte, für all die Menschen, die dort aufschlagen - und das sind natürlich auch viele Ehrenamtliche - begegnen, ein ganz buntes Bild von dem, was wir mit in den Blick nehmen.

domradio.de: Wird denn ein Gottesdienst im Altenheim anders gestaltet als hier bei uns im Kölner Dom?

Trapp: Auch das. Der Versuch ist da, demenssensibel Gottesdienste zu feiern, das heißt, die Menschen mit Demenz einzubeziehen, sie besonders mit in den Blick zu nehmen, aber die anderen eben nicht zu vergessen, die sogenannten "fitten Menschen". Und da gehört es natürlich dazu, alte Sachen mit einzubeziehen, alte Lieder, alte Texte, alte Gebete und das möglichst sensibel und eben nicht so nach "Schema F" durchzufeiern.

domradio.de: Beim Thema Altenpflege muss man vieles beachten, die Betreiber von Altenheimen haben vieles im Kopf, worum sie sich kümmern müssen. Welche Rolle nimmt da die Seelsorge ein?

Bruno Schrage (Referent für Caritaspastoral): Wenn Sie bei einem caritativen Rechtsträger als Bewohnerin oder Bewohner in einem Haus leben, dann können Sie davon ausgehen, dass Sie in diesem Haus über den Glauben sprechen dürfen. Das ist etwas, das uns wichtig ist, was wir nach dem Bedarf der Bewohnerinnen und Bewohner gestalten wollen und gerade deshalb ist das Motto "à la carte" so wichtig. Seelsorge wird individueller – dafür stehen wir als katholische Träger.

Wir nehmen das sehr ernst, wenn Menschen mit ihren Fragen hereinkommen in eine neue Lebenswelt, die selber auch Fragen aufwirft. Wie gehe ich damit um? Plötzlich bin ich in einem Zimmer, ich habe neue Mitmenschen um mich herum. Menschen, die sich gut um mich kümmern, die mich pflegerisch gut behandeln, die mit einer großen Freundlichkeit um mein Wohl besorgt sind. Aber mit denen kann ich sogar auch über Aspekte des Glaubens sprechen. Es ist wirklich mehr, als die Liturgie – die ist enorm wichtig. Wir legen Wert auf schöne Kapellen. Aber darin erschöpft sich nicht Seelsorge. Seelsorge ist hoch individuell auf den Einzelnen wie ein Buffet, bei dem ich auswählen kann, was ich brauche.

domradio.de: Wird die Familie dabei auch mit in den Blick genommen? Für sie herrscht bestimmt auch seelsorglicher Bedarf.

Trapp: Unbedingt, die Angehörigen sind immer mit in den Blick zu nehmen. Gerade da, wo Menschen ein großes Problem haben, ihre Angehörigen "abzugeben" – auch das gehört, aufgearbeitet, angesprochen und mit dem eigenen schlechten Gewissen differenziert betrachtet. Wir fragen, wie wir Menschen in dieser Richtung unterstützen können.

Schrage: Der Glaube hilft hier, Gemeinschaft zu erleben, auch miteinander etwas loszulassen. Im gemeinsamen Vertrauen auf einen Gott, der uns gemeinsam begleitet, auch in diesen Situationen des sich Verabschiedens oder des Zulassens, dass meine Mutter oder mein Vater jetzt von jemand anderem gepflegt wird – da hat der Glaube schon eine große Kraft, das auch an Gott zurückgeben zu können und nicht mit einem inneren Schuldbewusstsein nur da zu sein und zu sagen 'Wie konnte ich das nur tun'? Es fällt allen Menschen schwer, einen lieben Menschen jemand anderem anzuvertrauen.

domradio.de: Woran erkennt man denn eine Einrichtung, die auch den seelsorgerischen Bedürfnissen gerecht wird?

Schrage: Früher hätte man einfach gefragt, ob die Einrichtung einen Seelsorger im Haus hat oder eng mit der Kirchengemeinde verbunden ist. Heute kann man schon differenzierter hinschauen. Es ist wirklich so, dass Seelsorge individueller wird. Man würde heute eher fragen, ob es in der Einrichtung so etwas wie einen spirituellen Anamnesebogen gibt, also ob professionell mit den Angehörigen darüber gesprochen wird, welche Glaubensbezüge einem wichtig sind.

Eine weitere Frage wäre, ob es ein ethisches Konsilium gibt, also werden Entscheidungen auch ethisch miteinander unter christlichen Gesichtspunkten reflektiert. Gibt es ein Seelsorgekonzept? Für alles braucht man Konzepte, auch für die Seelsorge, damit eine gute Fachlichkeit entsteht und Fort- und Weiterbildungen für Mitarbeiter angeboten werden können. Gibt es explizites Personal dafür? Gibt es eine Sterbe- und Trauerkultur, die man pflegt. Wie geht die Einrichtung mit den unterschiedlichen Lebenserfahrungen der Menschen in dem Haus um? Besteht ein guter Kontakt mit den evangelischen und katholischen Gemeinden, aber auch zu anderen Religionen? Das heißt also, Altenheimseelsorge ist wirklich mehr als nur eine schöne Kapelle. Die ist heutzutage schon richtig breit aufgestellt.

domradio.de: Das Thema der anderen Religionen wird in der aktuellen Zeit immer wichtiger. Wie stellen sich denn die Heime darauf ein?

Schrage: Wir haben heute schon breite Fortbildungen, die das Thema interreligiöse Kompetenz sehr ernst nehmen. Wir selber gehen hin und bilden zusammen mit dem Generalvikariat und dem Diözesan-Caritasverband Menschen in Seelsorge aus. Und auch hier nehmen wir zunehmend Aspekte des Interreligiösen mit auf. Welche verschiedenen Riten gibt es? Worauf muss man achten, um einen kultur- und religionssensiblen pflegerischen Umgang zu haben? Das gehört aber heute schon lange grundsätzlich mit zu einer guten Pflegeausbildung.

domradio.de: Inwiefern nehmen Ihre Einrichtungen von der Caritas da noch einmal eine Sonderrolle ein? Unterscheiden die sich nochmal von anderen kirchlichen Trägern?

Schrage: Wir haben zumindest den Anspruch, eine gute Qualität zu liefern und ich glaube, dies wird auch in weiten Teilen durch die Reaktion des MDKs (Medizinischer Dienst der Krankenversicherungen, Anm. d. Red.) und durch Angehörige widergespiegelt. Aber wir haben auch den Anspruch, dass es bei uns qualitativ gut aufgestellte Seelsorge gibt. Diesem Anspruch muss sich ein privater Anbieter nicht unbedingt stellen. Bei uns gibt es in Deutschland die Wahlfreiheit. Man sollte sich aussuchen können, welchen Träger man sich für den eigenen Angehörigen wählt. Da ist man bei einem katholischen wie auch evangelischen Träger mit Sicherheit in diesem Kontext gut aufgehoben.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.


Quelle:
DR