Sechs Jahre nach Kriegsbeginn brauchen 13,5 Millionen Menschen Hilfe

Hoffnungslosigkeit in Syrien

Ganze Städte sind zerstört, viele Überlebende sind traumatisiert. Seit 2011 dauert das Blutvergießen in Syrien an - nachdem es anfangs noch friedliche Proteste gegen Machthaber Assad waren. Inzwischen hat sich Hoffnungslosigkeit breitgemacht.

Im zerstörten syrischen Aleppo / © Hassan Ammar (dpa)
Im zerstörten syrischen Aleppo / © Hassan Ammar ( dpa )

Sechs Jahre nach Beginn des Syrien-Krieges beklagen Hilfsorganisationen katastrophale Zustände in dem arabischen Land. Noch nie zuvor seien so viele Vertriebene, Flüchtlinge und Gewaltopfer auf Hilfe angewiesen gewesen wie heute, erklärte Caritas International am Mittwoch in Freiburg. Im dem seit März 2011 währenden Krieg wurden bislang mindestens 250.000 Menschen getötet und 1,2 Millionen Menschen verletzt. Laut Caritas sind 13,5 Millionen Menschen in Syrien mittlerweile hilfsbedürftig, mehr als die Hälfte der Einwohner.

Das katholische Hilfswerk Misereor fordert zum sechsten Jahrestag des Beginns des Syrienkonflikts am 15. März, "die zaghaften, aber wichtigen Bemühungen der syrischen Bevölkerung um Frieden im Land zu unterstützen". Die internationale Politik habe versagt, daher seien eigene Friedensinitiativen der Menschen in Syrien für viele die einzigen Hoffnungszeichen, erklärte Geschäftsführer Martin Bröckelmann-Simon am Mittwoch in Aachen.

Misereor: Hass und Misstrauen in der Bevölkerung

"Was mit den friedlichen Demonstrationen und der Hoffnung vieler Syrer auf gesellschaftliche Veränderungen begann, ist Tod, Verwüstung und großer Hoffnungslosigkeit gewichen", so der Experte weiter. Nach den Grausamkeiten, die von allen Kriegsparteien begangen worden seien, herrschten großer Hass und Misstrauen in der Bevölkerung. "In dieser Situation kann die Logik der Gewalt nur durch Begegnung, gemeinsame Friedensinitiativen und ein menschliches Miteinander durchbrochen werden." Seit Beginn des Krieges stellte Misereor für Hilfsmaßnahmen in Syrien nach eigenen Angaben 3,6 Millionen Euro bereit.

Die Syrer würden immer häufiger Opfer ungezielter Bombenangriffe, protestierte das Hilfswerk Handicap international in München. "Bombardierungen und Raketenbeschüsse sind im Syrien-Konflikt zur Regel geworden. Sie haben eine grauenvolle Intensität erreicht und verheerende Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung", erklärte Handicap-Einsatzkoordinatorin Mélanie Broquet.

Handicap international: Traumatisierte Bevölkerung

Während 2012 etwa die Hälfte der zivilen Opfer durch den Einsatz von Bomben, Granaten oder Minen in besiedelten Gebieten getötet worden seien, seien solche Explosivwaffen 2016 für mehr als 80 Prozent der Kriegstoten in der Zivilbevölkerung verantwortlich gewesen. Allein zwischen September und Dezember 2016 habe es pro Tag durchschnittlich 94 Angriffe mit Explosivwaffen gegeben. "Ganze Städte sind zerstört; die Bevölkerung ist traumatisiert. Nach Ende des Konflikts wird es Generationen dauern, bis das Land und die Menschen sich davon erholt haben", sagte Broquet.

Caritas-Nahost-Experte Christoph Klitsch-Ott verwies auf das enorme Ausmaß der versteckten Folgen des anhaltenden Bombardements: "Es ist nicht nur die unaufhörlich wachsende Zahl an Toten und Verletzten, die uns humanitäre Helfer tagtäglich fassungslos macht, sondern auch die stetig wachsende Zahl an Menschen, die als indirekte Folge des Krieges schleichend in die Verelendung gleiten."

Viele Menschen in Kampfgebieten eingekesselt

Schon einfache Krankheiten seien lebensbedrohlich, weil die Behandlung für die allermeisten Syrer unerschwinglich sei. "Diese Toten tauchen aber in keiner Statistik auf", erklärte Klitsch-Ott. 60 Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung seien arbeitslos und deshalb nicht selbst in der Lage, sich und ihre Familien zu ernähren. Die Armutsrate liege bei 85 Prozent. In 15 Kampfgebieten seien immer noch Menschen eingekesselt und von der Außenwelt abgeschnitten. Der Nahost-Experte forderte massiven politischen und diplomatischen Druck der Nationen, die Einfluss auf die in Syrien kämpfenden Truppen haben.

Der syrische Jesuit Sami Hallak aus Aleppo erklärte, dass die syrische Bevölkerung den Glauben an eine Lösung der internationalen Politik verloren habe: "Gerade deshalb bleibt ihnen nur noch die Hoffnung auf eigene Friedensinitiativen, so begrenzt sie auch sein mögen." In einem Hilfsprogramm arbeiteten zum Beispiel Christen und Muslime Seite an Seite, um Essen und Wasser zu verteilen.


Quelle:
epd , KNA