Sozialdienst katholischer Frauen zu Gesetz gegen Kinderehen

"Es kommt auf den Einzelfall an"

Es war ein langes Hin und Her. Doch nun hat sich die Koalition auf ein Gesetz gegen Kinderehen geeinigt. Demnach soll eine Heirat erst ab 18 Jahren anerkannt werden. Der Sozialdienst katholischer Frauen sieht dies mit gemischten Gefühlen.

Viele Bräute werden im Kindesalter verheiratet / © Harish Tyagi (dpa)
Viele Bräute werden im Kindesalter verheiratet / © Harish Tyagi ( dpa )

domradio.de: Die Debatte um die Ehe von Minderjährigen wird schon länger geführt. Erst im vergangenen Jahr wurden Zahlen bekannt, nach denen knapp 1.500 junge Menschen in Deutschland davon betroffen sind. Die überwiegende Mehrheit ist zwischen 16 und 18 Jahre alt, aber es gibt auch Fälle, da sind die Ehepartner jünger als 14. Was können Sie dazu aus Ihrer Arbeit schildern?

Monika Kleine (Geschäftsführerin vom Sozialdienst katholischer Frauen in Köln): In der praktischen Arbeit kommen solche Fälle eher als Einzelfälle vor. Wir haben aktuell eine junge Frau unter 16 Jahren, die schwanger ist, in Obhutnahme. In der Regel, wenn sie verheiratet sind oder verheiratet wurden, sind sie erst einmal in den Flüchtlingseinrichtungen zu finden. Da wir die selber nicht betreuen, haben wir dorthin nur einen mittelbaren Zugang. Aber im Moment sind es nur Einzelfälle, die wir in Köln wahrnehmen.

domradio.de: Was sind die Gründe für eine frühe Verheiratung?

Kleine: Die Gründe der Familien, ihre Kinder früh zu verheiraten, liegen – ähnlich wie es früher auch in Deutschland der Fall war – weniger bei einer Liebesheirat. Das Thema Liebesheirat hat sich auch erst bei uns in den letzten Jahrzehnten als Motivation herausgebildet. Die Kinder und Jugendlichen werden vor allem aus wirtschaftlichen Gründen verheiratet. Häufig ist es aber auch eine ganz starke Motivation der Familien, dass sie nach der Heirat Schutz vor Übergriffen anderer Männer sicherstellen möchten. Das heißt, wenn eine Frau verheiratet ist, steht sie unter einem anderen Schutz. Das ist ein ganz wichtiges Anliegen der Eltern. Zudem kommen sie aus einem vollkommen anderen kulturellen Hintergrund. Da ist das Regeln der Ehen zwischen Familien einfach noch viel mehr Brauch und gegenwärtiger als bei uns in Deutschland.

domradio.de: Union und SPD wollen jetzt mit einem Gesetz die Ehe von Minderjährigen unter 16 Jahren verbieten lassen. Was sagen Sie zu diesem Gesetz?

Kleine: Grundsätzlich kann man das aus unserer Sicht begrüßen. Aber bei genauerer Betrachtung löst es überhaupt kein Indikationsproblem. Wir haben darauf einen anderen kulturellen und gesetzlichen Blick. Die Menschen kommen aber mit einem anderen Hintergrund zu uns. Das bedeutet, dazwischen klafft eine sehr große Lücke. Wir werden, wenn wir wollen, dass die Menschen unserer Kultur und unserer Wertvorstellung näher kommen, nicht umhin kommen, uns erst einmal auf eine gewisse Akzeptanz einlassen zu müssen. Das bedeutet, wir müssen die Einzelfälle anschauen.

domradio.de: Die Gründe dieser Hochzeiten sind ja auch in vielen Fällen religiöser Natur, oder?

Kleine: Ja. Sie sind religiös, wirtschaftlich, kulturell oder aus einem Fürsorge- und Sicherheitsbedürfnis heraus begründet. Die Gründe können sehr vielfältig sein. Nicht immer ist es auch eine erzwungene Verheiratung. Die Mädchen werden auch in diesem Kulturgedanken groß. Das ist aus unserer Sicht nicht besser zu heißen, aber erst einmal muss man anerkennen, dass dies die Einstiegsvoraussetzung für die Betrachtung ist.

domradio.de: Was braucht es aus Ihrer Sicht, um junge Mädchen vor einer ungewollten Ehe zu schützen?

Kleine: In Ihrer Frage steckt eine ganz wichtige Unterscheidung. Denn es macht einen großen Unterschied, ob es eine ungewollte Heirat, eine Zwangsheirat ist oder ob das für das Mädchen eine gewisse kulturell geprägte Selbstverständlichkeit hat. Wenn es eine Zwangsverheiratung ist, dann gibt es hier in Deutschland ein Hilfesystem, das umfänglich ist. Man kann natürlich hergehen und die jungen Mädchen den Einzelfallhilfen zuführen. Die jungen Menschen bekommen dann einen Vormund, der sie in ihren Angelegenheiten unterstützt. Es gibt alle möglichen Jugendhilfemaßnahmen, bei denen man auch unterkommen kann. Das Spektrum ist breit. Aber zu Beginn muss stehen, dass man den Einzelfall betrachtet. Wenn beispielsweise schon eine Elternschaft oder eine Schwangerschaft vorliegt, ist es die Frage, ob die Zwangstrennung die einzige und richtige Lösung sein kann.

Das Interview führte Verena Tröster.


Quelle:
DR