Katholische Frauengemeinschaft begrüßt Gesetz zur Entgelttransparenz

"Zukünftig selbstbewusster verhandeln"

Das Bundeskabinett hat an diesem Mittwoch das Gesetz für mehr Lohngerechtigkeit zwischen Männern und Frauen auf den Weg gebracht und den Unternehmen mehr Transparenz verordnet. Die kfd wertet dies bei domradio.de als Meilenstein.

Mehr finanzielle Gleichberechtigung für Frauen am Arbeitsplatz / © Robert Schlesinger (dpa)
Mehr finanzielle Gleichberechtigung für Frauen am Arbeitsplatz / © Robert Schlesinger ( dpa )

domradio.de: Familienministerin Manuela Schwesig hat den Gesetzentwurf ins Kabinett eingebracht - und den Beschluss dementsprechend begrüßt. Sie hat noch einmal betont, wie ungerecht die bisher bestehende Lohnlücke von 21 Prozent zwischen Frauen und Männern war und das neue Gesetz als Durchbruch bezeichnet. Sehen Sie das auch so? Ist das ein Durchbruch?

Dr. Heide Mertens (Leiterin der Abteilung Politik/Gesellschaft beim kfd-Bundesverband in Düsseldorf, der katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands): Ja, ich denke es ist insofern ein Durchbruch, weil mit diesem Gesetz ja ganz explizit anerkannt wird, dass etwas nicht stimmt. Es passiert tatsächlich, dass Frauen in Betrieben, also insbesondere in der freien Wirtschaft, anders bezahlt werden, als Männer für die gleiche Arbeit. 

domradio.de: Arbeitgeber mit mehr als 200 Beschäftigten müssen künftig ihren Beschäftigten auf Anfrage erläutern, nach welchen Kriterien sie bezahlt werden. Was bringt das konkret für die Frauen?

Mertens: Also, wir hoffen, dass jetzt viele Frauen den Mut aufbringen und ihren Arbeitgeber oder in den Betriebsräten, in den tarifgebundenen Betrieben, nachfragen: "Werde ich wirklich so bezahlt, wie meine Kollegen, die die gleiche Arbeit an der gleichen Position machen?" Wir wissen einfach aus Gesprächen mit Frauen, dass Lohnverhandlungen in nicht tarifgebundenen Betrieben frei verhandelt werden. Der Mann sagt dann etwas und vereinbart etwas mit dem Arbeitgeber. Und nach wie vor denken Arbeitgeber, sie könnten Frauen weniger geben. Vielleicht fordern Frauen auch nicht forsch genug. Wir hoffen, dass dieses Gesetz einen Impuls gibt, dass Frauen nachfragen, und zwar über die damit rechtlich vorgegebenen Wege. Und dass sie natürlich in Zukunft viel selbstbewusster verhandeln.

domradio.de: "Damit werde sich die Unternehmenskultur verändert", sagte Schwesig. Was heißt das?

Mertens: Ich glaube, wir haben immer noch eine Kultur, in der viele Arbeitgeber, aber vielleicht auch die Beschäftigten selber denken "naja, es ist wichtig, dass der Mann ordentlich verdient und die Frau verdient ja eher dazu". Dass das nicht mehr stimmt, haben viele Studien schon bewiesen. Viele Frauen sind die Alleinverdiener in ihrer Familie oder die wesentlichen Brotgeber. Den Mann als den Breadwinner, so nennt man das im Englischen, den gibt es nicht mehr.

Frauen und Männer müssen gerecht verdienen und erst dann können auch alle Maßnahmen greifen. Zum Beispiel, dass auch Frauen und Männer sich die Sorgearbeit teilen. Deshalb brauchen wir den gleichen Lohn für gleiche Arbeit, erst dann haben wir gleiche Voraussetzung, um auch die anderen Verabredungen in Partnerschaften zu treffen.

domradio.de: Es gab auch viele Gegenstimmen, vor allem aus den Reihen der Union. Wie argumentieren die denn?

Mertens: Ich denke, dass Betriebe Angst haben, dass sie jetzt neue bürokratische Auflagen kriegen, dass alles schwieriger wird. Wir haben uns ja lange auch als katholische Frauengemeinschaft dafür eingesetzt, dass dieser Auskunftsanspruch wenigstens in allen Betrieben durchgesetzt wird. Denn die meisten Frauen arbeiten in ganz kleinen Betrieben. Jetzt gibt es diesen Anspruch in Betrieben ab 200 Beschäftigte, immerhin!

Ich denke, es nicht so ein Aufwand für den Arbeitgeber, wenn eine Frau nachfragt, zu sagen, was statistisch Männer in ihrer Gehaltsgruppe verdienen. Die Berichtspflichten gelten jetzt sowieso nur für größere Betriebe, da ist das schon vertretbar. Wir verstehen die Rückfragen, aber es geht hier wirklich ums Prinzip. Ich glaube es ist gut, dass mit dem Gesetz jetzt grundsätzlich gesagt worden ist: Wir müssen da ran, das geht so nicht!

domradio.de: Was ist denn mit den Frauen, die in Betrieben arbeiten, die weniger als 200 Angestellte haben?

Mertens: Das ist schade und für uns auch bedauerlich, dass die nicht auch diesen Auskunftsanspruch bekommen. Ich denke, man muss das jetzt mal beobachten, ob dadurch schon ein Bewusstseinswandel eintritt, wie wir hoffen. So dass es letztendlich auch nicht mehr denkbar ist, auch in kleinen Betrieben Frauen schlechter zu bezahlen als Männer, wenn sie die gleichen Aufgaben und Verantwortungen übernehmen. Da geht es vor allen Dingen auch ums Bewusstsein, und wir wissen auch, dass in der freien Wirtschaft alles, was wir gesetzlich schon zur Gleichstellung geregelt haben, oft durch die Kultur in den Betrieben unterlaufen wird. Fragen, ob beispielsweise Männer Elternzeit nehmen können, dokumentieren kulturelle Vorstellungen: Männern tun das ja eigentlich nicht. Viele Männer müssen da sehr kämpfen.

Ich glaube mit solchen Gesetzen werden Schritte gegangen, um die Kultur zu verändern und zu sagen: Nein, es ist gleichberechtigt. Sowohl Frauen als auch Männer müssen gleich bezahlt werden, tragen zum Haushaltseinkommen bei, aber nehmen auch Aufgaben außerhalb der Familie war. Und zwar nicht nur die Frauen. Das war ja immer ein Grund, dass der Arbeitgeber sagt: Na ja, das ist ja nur Zuverdienst. Und das muss sich ändern.

Das Interview führte Hilde Regeniter


Dr. Heide Mertens / © kfd/Andreas Varnhorn
Dr. Heide Mertens / © kfd/Andreas Varnhorn
Quelle:
DR