"Volksverräter" zum "Unwort des Jahres 2016" gewählt

"Erbe von Diktaturen"

Das letzte Mal war es "Gutmensch". Nun gibt es ein neues Unwort des Jahres: "Volksverräter". Es gehöre zu dem plakativen und polemischen Sprachgebrauch, den Anhänger von Pegida oder AfD verwendeten, so die Jury. 

Vor einer Flüchtlingsunterkunft in Heidenau  / © Jan Woitas (dpa)
Vor einer Flüchtlingsunterkunft in Heidenau / © Jan Woitas ( dpa )

Der Begriff "Volksverräter" ist das "Unwort des Jahres 2016". Das teilte die Sprecherin der "Unwort"-Jury, die Sprachwissenschaftlerin Nina Janich, am Dienstag in Darmstadt mit. Zum "Unwort des Jahres 2015" war der häufig von Rechtspopulisten verwendete Begriff "Gutmensch" gewählt worden. Für 2014 hatte das Gremium "Lügenpresse" ausgesucht. Im Jahr 2013 war "Sozialtourismus" das "Unwort", davor "Opfer-Abo" (2012) und "Döner-Morde" (2011).

AfD-Sprachgebrauch 

Der Begriff "Volksverräter" gehöre zu dem plakativen und polemischen Sprachgebrauch, den Angehörige und Anhänger von Pegida, AfD oder ähnlichen Initiativen verwendeten, so die Jury. Er sei ein typisches Erbe von Diktaturen, unter anderem der Nationalsozialisten. Als Vorwurf gegenüber Politikern sei das Wort in einer Weise undifferenziert und diffamierend, dass ein solcher Sprachgebrauch das ernsthafte Gespräch und damit die für eine Demokratie notwendigen Diskussionen in der Gesellschaft abwürge.

Die Jury wies darauf hin, dass der Wortbestandteil "Volk", wie er in den Wörtern "völkisch" und "Umvolkung" gebraucht werde, ähnlich wie im Nationalsozialismus nicht für das Staatsvolk als Ganzes stehe, sondern für eine ethnische Kategorie, die Teile der Bevölkerung ausschließe und damit die Gültigkeit der Grundrechte für alle Menschen im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik ausschließe.

Keine weiteren Unwörter nominiert 

Die sprachkritische Aktion verzichtete diesmal nach eigenem Bekunden bewusst darauf, weitere Unwörter zu nominieren. Damit wolle man der Kritik am Begriff "Volksverräter" mit seinem faschistischen und fremdenfeindlichen Hintergrund mehr Gewicht verleihen.

Die sprachkritische Aktion bestimmte nun zum 26. Mal das Unwort des Jahres. Nach ihrer Darstellung geht es darum, auf einen undifferenzierten, verschleiernden oder diffamierenden öffentlichen Sprachgebrauch aufmerksam zu machen, Diskussionen über Sprache anzuregen und dadurch Sprachsensibilität und Sprachkritik in der Bevölkerung zu fördern. 2015 hatte die Jury den Ausdruck "Gutmensch" zum Unwort des Jahres bestimmt. Das erste von der sprachkritischen Aktion bestimmte Unwort war für 1991 "ausländerfrei".

Über 1.000 Einsendungen 

Diesmal waren bei der Jury nach deren Angaben 1.064 Einsendungen eingegangen; darunter befanden sich 594 verschiedene Vorschläge. Zum Wort des Jahres 2016 hatte vor wenigen Wochen die in Wiesbaden ansässige Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) den Begriff "postfaktisch" gekürt. Für ihre Wahl ist maßgeblich, wie sehr ein Begriff die öffentliche Debatte bestimmt.

Kritische Reflektion 

Die Aktion gibt es seit 1991. Sie soll das Bewusstsein und die Sensibiltät für Sprache fördern. Die Jury nimmt bei ihren Entscheidungen "sachlich unangemessene oder inhumane Formulierungen im öffentlichen Sprachgebrauch" in den Blick, "um damit zu alltäglicher sprachkritischer Reflexion aufzufordern".

Neben dem "Unwort des Jahres" gibt es auch das "Wort des Jahres". Dieser Begriff wird unabhängig von der sprachkritischen Jury mit ihrer Sprecherin in Darmstadt von der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) in Wiesbaden gewählt. Für 2016 entschied sie sich für den Begriff "postfaktisch". Zur Begründung hieß es, in politischen und gesellschaftlichen Diskussionen gehe es zunehmend um Emotionen anstelle von Fakten.


Quelle:
dpa , KNA