Unicef ruft zu Hilfen im Syrien-Konflikt auf

"Wir dürfen uns nicht daran gewöhnen"

Es wird ein mehr als trauriger Jahrestag: Vor bald sechs Jahren begann der Bürgerkrieg in Syrien. Und weiter ist laut Unicef kein Ende in Sicht. Für Schirmherrin Daniela Schadt ist die Tragödie ein persönliches Anliegen.

Autor/in:
Anna Mertens
Hoffnungslose Lage in Syrien? / © Mohammed Badra (dpa)
Hoffnungslose Lage in Syrien? / © Mohammed Badra ( dpa )

Eher selten tritt die Lebensgefährtin des Bundespräsidenten, Daniela Schadt, ohne Joachim Gauck vor die Kameras. An diesem Mittwoch weicht sie von dieser Regel ab. Ruhig und doch sichtlich bewegt erzählt die gelernte Journalistin und Unicef-Schirmherrin von ihren Eindrücken. Sie erinnere sich noch, wie sie selbst vor bald sechs Jahren über die Anfänge des Bürgerkriegs berichtet habe. Heute, so viele Jahre später, falle es schwer, Hoffnung zu bewahren. "Doch", und dabei blickt Schadt in die Runde der Journalisten, "wir können uns nicht leisten, uns an dieses Geschehen zu gewöhnen oder es zu vergessen".

Nach Angaben des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen sind in Syrien derzeit rund 5,8 Millionen Kinder und Jugendliche auf Hilfe angewiesen. 2,7 Millionen Jungen und Mädchen sind alleine oder gemeinsam mit Eltern oder Verwandten auf der Flucht. Mehr als 300.000 syrische Kinder sind als Flüchtlinge zur Welt gekommen - sie haben ihre Heimat noch nie gesehen.

Ein Drittel aller Schulen zerstört

Allein in diesem Jahr seien 84 Angriffe auf Schulen verübt worden, zählt das Hilfswerk weiter auf. Mehr als 7.400 Schulen - rund ein Drittel aller Schulen - seien infolge der Kämpfe unzugänglich. Etwa zwei Millionen Kinder gehen laut Unicef trotz aller Gefahren weiter zur Schule. Viele hätten sich an die regelmäßigen Angriffe und Bombardements gewöhnt.

Eine Gruppe prominenter Schriftsteller und Intellektueller hat an diesem Mittwoch zu einer Kundgebung vor der russischen Botschaft in Berlin gegen den Krieg in Syrien aufgerufen. Unter dem Motto "Schluss mit dem Massenmord in Aleppo" werfen sie Russlands Präsident Wladimir Putin vor, einen "Vernichtungskrieg" gegen die Zivilbevölkerung zu führen. Auch zahlreiche Politiker unterstützen den Aufruf.

Sie lasse die Tragödie in Syrien nicht los, erzählt auch Schadt. Es sei ihr persönliches und humanitäres Anliegen, den Millionen Kindern im Land und auf der Flucht Gehör zu verschaffen. Unicef leiste hierbei Herausragendes - und jeder könne helfen. Bereits mit einem kleinen Beitrag könne eine Decke erstanden oder eine Unterkunft für die Wintermonate aufgerüstet werden, appelliert die Schirmherrin zu Spenden. "Kinder sind niemals Feinde", mahnt Schadt.

Surreales Chaos

Wie dramatisch die Lage vor Ort ist, beschreibt die per Videokonferenz aus Damaskus zugeschaltete Leiterin von Unicef-Syrien, Hanaa Singer. Sie berichtet von Kindern und ihrer Begeisterung fürs Lernen. Hartnäckig gingen sie weiter zur Schule, obwohl die Bombenangriffe etwa im Osten Aleppos sich massiv verstärkt hätten.

Am Dienstag sei ein freiwilliger Helfer von Unicef, ein 24-jähriger Student, bei einem Angriff gestorben, sagt Singer weiter: "Gott segne ihn." Dennoch seien zahlreiche Familien bereits in die von der syrischen Regierung zurückeroberten und zerbombten Gebiete zurückgegangen, um dort mit dem Wiederaufbau zu beginnen. Dabei herrsche dort ein "surreales Chaos. "Die Menschen wollen zurück", betont die Expertin.

Grauen zur Normalität geworden

Dem Unicef-Regionaldirektor für den Mittleren Osten und Nordafrika, Geert Cappelaere, fehlen die Worte, um das Grauen in Syrien zu beschreiben. "Die Weltgemeinschaft hat versagt und versagt weiterhin", klagt er. Erst vor kurzem habe er vor dem UN-Sicherheitsrat gesprochen, aber es gebe weiter keine Anzeichen für ein Ende des Krieges. "Alle Konfliktparteien und Beteiligten sind mitverantwortlich für die Tragödie", bekräftigt Cappelaere. Etwa 35 Prozent der geflüchteten syrischen Mädchen würden mittlerweile als Minderjährige verheiratet, um ihnen Schutz zu geben. Das seien dreimal so viele wie vor dem Krieg.

Für den Geschäftsführer von Unicef-Deutschland, Christian Schneider, ist es nahezu das Schlimmste, dass die Kinder selbst nicht mehr zusammenzucken, wenn Bomben einschlagen oder Granaten zersplittern. "Sie tanzen und singen, wenn die Flieger kommen". Das Grauen sei für viele Normalität geworden.


Daniela Schadt / © Klaus-Dietmar Gabbert (dpa)
Daniela Schadt / © Klaus-Dietmar Gabbert ( dpa )
Quelle:
KNA