Viel Lob und Dank zum Internationalen Tag des Ehrenamtes

Engagement nimmt zu

Ob Rettungssanitäter, Vorlese-Oma oder Fußball-Trainer. Ob Mitarbeit im Hospiz oder Begleitung von Flüchtlingen bei Ämtergängen: Freiwilliges Engagement in Deutschland hat viele Gesichter.

Autor/in:
Christoph Arens
Ehrenamtliche mit afghanischen Flüchtlingen / © Maja Hitij (dpa)
Ehrenamtliche mit afghanischen Flüchtlingen / © Maja Hitij ( dpa )

"Willst du froh und glücklich leben, lass kein Ehrenamt dir geben." Wilhelm Busch hatte wenig übrig für freiwilliges Engagement. "Willst du nicht zu früh ins Grab, lehne jedes Amt gleich ab", riet er in einem seiner ironischen Gedichte. Der Lohn fürs Ehrenamt sei höchstens Undankbarkeit.

Um so deutlicher klingen die Dankesworte, die Politik und Kirche zum Internationalen Tag des Ehrenamts am Montag formulieren. Die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz, hob am Sonntag insbesondere das Engagement für Flüchtlinge hervor. "Die Helfer setzen mit ihrem Einsatz ein starkes Zeichen für unsere Werte und für den gesellschaftlichen Zusammenhalt."

Ehrenamt nimmt zu

Die katholische Bischofskonferenz lobte das Engagement der Frauen und versicherte, dass die Kirche mehr Geschlechtergerechtigkeit wolle. Und der Deutsche Städte- und Gemeindebund betonte, die Gesellschaft sei auf Menschen angewiesen, die "für andere Verantwortung übernehmen und einen Beitrag für unsere Gemeinschaft leisten".

Dabei nimmt das ehrenamtliche Engagement in Deutschland deutlich zu, wie der im Frühjahr veröffentlichte Freiwilligen-Survey der Bundesregierung verrät. 31 Millionen oder mehr als 40 Prozent der Bundesbürger ab 14 engagieren sich freiwillig. Das sind zehn Prozentpunkte mehr als 15 Jahre zuvor.

Sport und Bewegung am meisten

Bundesweit ist das Engagement im Westen höher als im Osten, in ländlichen Kreisen stärker als in Städten, bei Männern häufiger als bei Frauen. Gut die Hälfte der Engagierten ist in Vereinen aktiv, gefolgt von individuell organisierten Gruppen, Kirchen und öffentlichen Einrichtungen. Der am häufigsten unterstützte Bereich ist mit gut 16 Prozent Sport und Bewegung.

Besonders auffällig war das ehrenamtliche Engagement in den vergangenen Monaten in der Flüchtlingsarbeit. Auf allein 100.000 freiwillige Helfer innerhalb der katholischen Gemeinden und Verbände schätzte Kardinal Reinhard Marx das Maß der Hilfsbereitschaft. Özoguz warnte in diesem Zusammenhang vor Enttäuschungen und Überforderung. Es sei wichtig, ehrenamtliche Helfer zu qualifizieren, zu beraten und sie durch Hauptamtliche zu unterstützen.

Für alle öffnen

Zugleich müsse auch das bürgerschaftliche Engagement von Menschen mit Einwanderungsgeschichte gestärkt werden, forderte die SPD-Politikerin. "Freiwilligenarbeit muss offen für alle Menschen, egal welcher Herkunft, sein. Nur so kann sich das integrative Potenzial des Ehrenamts voll entfalten." Laut Freiwilligen-Survey ist der Anteil der Ehrenamtlichen bei Migranten mit 31,1 Prozent insgesamt derzeit noch geringer. Allerdings steigt er bei den Gruppen, die schon in zweiter Generation in Deutschland leben.

Die Motive für bürgerschaftliches Engagement sind laut Freiwilligen-Survey vielfältig. Am häufigsten geben Ehrenamtler an, ihre Tätigkeit mache ihnen Spaß. Es folgen das Gefühl von Gemeinschaft und der Wunsch, die Gesellschaft mitzugestalten. Knapp drei Viertel der Engagierten geben an, soziale Fähigkeiten erworben zu haben, über die Hälfte haben persönliche Fähigkeiten erlangt. Finanzielle Erwägungen spielen nur eine untergeordnete Rolle.

Kritik am Sozialstaat

Bei allem Lob über die wachsende Rolle des Ehrenamts gibt es auch nachdenkliche Stimmen. Der Historiker Tillmann Bendikowski prognostizierte kürzlich im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA), der Sozialstaat werde "einen zunehmenden Teil seiner Hilfszuständigkeit delegieren an die einzelnen Menschen".

Auch der Furtwangener Soziologieprofessor Stefan Selke befürchtet, dass Staat und Politik zunehmend mehr Aufgaben an Ehrenamtler übertragen und ein Druck zum freiwilligen Engagement entstehe. "Die Politik suggeriert, dass sich Probleme lösen lassen, indem man sie dem lokalen Engagement von Freiwilligen anvertraut", kritisierte er.

Er wolle "niemandem verbieten, Kassierer im Schützenverein zu werden"; er befürchte aber, dass "mit dem bürgerschaftlichen Engagement oftmals gesellschaftliche Verhältnisse vernachlässigt werden, die eigentlich politisch bearbeitet werden müssten".

 


Quelle:
KNA