Rollstuhlfahrerin Gehlhaar über tägliche Diskriminierung

"Erlebe immer mehr Ablehnung"

"Es ist normal, verschieden zu sein". Aber wie normal ist es wirklich? Die Autorin Laura Gehlhaar beklagt, dass sie als Rollstuhlfahrerin immer mehr Diskriminierung im Alltag erlebt.

Rollstuhl mit Kreide gemalt (dpa)
Rollstuhl mit Kreide gemalt / ( dpa )

"Mein Eindruck ist, dass sich die Gesellschaft nach rechts bewegt. Ich erlebe mehr Ausgrenzung als noch vor ein paar Jahren", sagte Gehlhaar dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Und ich erlebe das, weil ich zu einer Minderheit gehöre. Es nimmt zu, dass Nazis ihre Ablehnung von Behinderten offen deutlich machen."

Die starrenden Blicke der Anderen

Täglich erlebe sie auf der Straße Reaktionen auf ihren Rollstuhl, fügte Gehlhaar hinzu. "Viele Leute reagieren auf mich so, wie man auf etwas reagiert, das man nicht kennt." Passanten starrten sie lange an. "Manche durchbrechen auch meine Privatsphäre, sie fassen mich zum Beispiel an der Schulter an und sagen, wie toll sie es finden, dass ich alleine unterwegs bin." Für sie sei das Alltag. "Es zeigt: Menschen mit Behinderung gehören nicht zum Straßenbild." Sehr heftige Reaktionen wie Beleidigungen oder Bedrohungen erlebe sie zum Glück aber nur selten, berichtete die 33-Jährige, die als Autorin und Coach in Berlin arbeitet und ein Buch über ihren Alltag als Rollstuhlfahrerin geschrieben hat.

Allerdings sei auch ihr Umfeld von Vorurteilen betroffen, sagte Gehlhaar. "Wenn ich mit meinem Freund unterwegs bin, denken viele, er sei mein Pfleger. Wenn wir uns dann küssen, sind sie sehr überrascht." Viele Menschen schrieben ihrem Freund zu, dass er sehr hilfsbereit sei, weil er sich ja um einen Menschen mit Behinderung kümmere, erläuterte Gehlhaar. "Das ist sehr abwertend für ihn und für mich. Als wäre er gar nicht mit mir zusammen, weil er mich als Person liebt."

Selbst aktiv werden

Positiv habe sich in den vergangenen Jahren entwickelt, dass immer mehr Menschen mit Behinderung ihre Stimme erheben, sagte Gehlhaar. "Sie drängen nach vorne und wollen selbst mitgestalten." Für sie selbst sei das Internet sehr wichtig gewesen: "Ich habe gesehen, dass ich nicht alleine mit meiner Behinderung bin. Das hat mir sehr viel Mut gemacht."

Auf Twitter habe sie eigentlich nur sonntags den "Tatort" kommentieren wollen. "Aber dann habe ich begonnen, kleine Begebenheiten aus meinem Alltag zu erzählen. Ich habe sehr viel positive Resonanz bekommen, von Behinderten und Menschen ohne Behinderung", berichtete Gehlhaar. "Manche haben geschrieben, dass sie angefangen haben, über das Thema Behinderung nachzudenken. Das finde ich sehr wichtig. Und es tut mir gut."

Gesellschaftliches Stigma

In der Gesellschaft sei der Rollstuhl aber nach wie vor "Symbol des Schreckens", er stehe für Schmerz und Einschränkung, kritisierte Gehlhaar. "Mein Rollstuhl steht für Freiheit und Mobilität. Er ermöglicht es mir, arbeiten und einkaufen zu gehen - und das selbstständig."


Quelle:
epd