Theologe mahnt zu Verantwortung und Nächstenliebe

Schock nach Todesfall in Bank

Nach dem Fall unterlassener Hilfeleistung an einem zusammengebrochenen Mann in einer Essener Bank hat der Vizepräses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Christoph Pistorius, zu Mitmenschlichkeit aufgerufen.

Rettungswagen / © Nicolas Armer (dpa)
Rettungswagen / © Nicolas Armer ( dpa )

Das Gleichnis Jesu vom barmherzigen Samariter könne Mut machen, "dass wir uns einen Ruck geben und Nächstenliebe und Barmherzigkeit leben", sagte der Theologe am Donnerstagabend in der Radio-Talksendung "Arena" auf WDR 2. Menschen seien "in der Lage und vielleicht auch in der Pflicht", die Hilfsbedürftigkeit Anderer zu erkennen und angemessen zu reagieren.

Bankkunden stiegen über Rentner

Der 82-jährige Mann war Anfang Oktober im Vorraum einer Bank in Essen-Borbeck zusammengebrochen und Tage später im Krankenhaus gestorben. Mehrere Bankkunden ignorierten den bewusstlos am Boden liegenden Mann und gingen laut Polizei "nah an dem Sterbenden vorbei oder stiegen hinüber", um ihre Geldgeschäfte zu erledigen, ohne sich um den Rentner zu kümmern oder Hilfe zu holen. Der Vorfall wurde von einer Überwachungskamera gefilmt. Die Polizei ermittelte vier Verdächtige, gegen die wegen unterlassener Hilfeleistung ermittelt wird.

Pistorius sagte, er habe mit Wut und Trauer auf diesen Fall reagiert, sich aber auch gefragt: "Wie oft gehst du eigentlich an Menschen vorbei, die irgendwo liegen?" In Deutschland lebten die Menschen in einer "Gesellschaft, die sich darin wähnt, dass es für alles Zuständigkeiten gibt und alles irgendwie schon geregelt ist und ich selbst vielleicht keinen Beitrag dazu leisten muss". Wichtig seien deshalb positive Beispiele, wo "jemand nicht weggeguckt, sondern angepackt hat".

Hilfsbereitschaft verlernt?

Es müsse erreicht werden, "dass Menschen Empathie entwickeln und dass sie auch Handlungssicherheit in solchen Situationen haben", sagte der evangelische Theologe. Den Essener Fall sieht er aber nicht als typisch für die Gesellschaft an. Es gebe nach wie vor viele Menschen, "die sich anrühren lassen vom Leid anderer, die sich engagieren in der Notfallseelsorge, in der Flüchtlingsarbeit oder wenn es darum geht, anderen Quartier zu geben oder unter die Arme zu greifen".

Auch der Essener Kriminalhauptkommissar Ulrich Schmitz kritisierte die Haltung, Verantwortung abzulehnen nach dem Motto "Da muss ja schon irgendjemand für zuständig sein". "Wir haben Hilfsbereitschaft verlernt", sagte der Experte für Kriminalprävention und Opferschutz in der Sendung. Menschen könnten sich bewusst entscheiden, Verantwortung zu übernehmen.

Wer sich aus Angst oder einem Gefühl von Überforderung nicht traue, anderen direkt zu helfen, könne zumindest Hilfe holen und die Notrufnummer 110 oder 112 wählen, sagte Schmitz. "Der einzige Fehler, den man machen kann, ist, nichts zu tun."


Christoph Pistorius / © Norbert Neetz (epd)
Christoph Pistorius / © Norbert Neetz ( epd )
Quelle:
epd