Jeder dritte Bufdi älter als 27 Jahre

Mehr als billige Arbeitskräfte

Fünf Jahre nach dem Start ist der Bundesfreiwilligendienst mit rund 40.000 Freiwilligen eine Erfolgsgeschichte. So unterschiedlich wie ihre Arbeitsbereiche zwischen Klinik und Flüchtlingsheim sind auch die Bufdis selbst.

Autor/in:
Volker Hasenauer
Bundesfreiwilligendienst / © Friso Gentsch (dpa)
Bundesfreiwilligendienst / © Friso Gentsch ( dpa )

Selbst im hektischen Klinik-Alltag verliert Jaja Vasquez nie ihr gewinnendes Lächeln. Im Freiburger Loretto-Krankenhaus hilft sie Patienten nach einer Knie-OP bei den ersten Geh-Versuchen, misst Blutdruck und verteilt Essenstabletts. "Das Wichtigste ist es, für die Kranken Zeit zu haben, ihnen einfach auch einmal zuzuhören", sagt die 28-Jährige.

Seit elf Monaten ist Vasquez Bundesfreiwillige, und wenn alles gut geht, wird sich in wenigen Wochen direkt eine Ausbildung als Krankenschwester anschließen. Der nach der Aussetzung der Wehrpflicht und damit dem Ende des Zivildiensts geschaffene neue Bundesfreiwilligendienst ist für die vor zwei Jahren nach Deutschland gekommene Philippinin der Start ins Berufsleben.

Bei Michael Jaschke liegen die Dinge genau umgekehrt - der Freiwilligendienst ist für ihn Zugabe zu einem langen Berufsleben.

Rentner sucht neue Herausforderung

Denn statt den Ruhestand nach einer langer Tätigkeit als Händler für Zahnarztgeräte zu genießen, suchte er mit 73 Jahren noch einmal nach einer neuen Herausforderung - und fing im Auftrag der Caritas als Bufdi in einer südbadischen Flüchtlingsunterkunft an. Er begleitet Syrer und Iraker zu Behörden und Ärzten, hilft beim Ausfüllen von Formularen. "Ich bin dankbar für ein gutes, erfülltes Leben. Jetzt ist die Zeit, ein wenig dieser Dankbarkeit weiterzugeben", sagt der schlanke, verschmitzt lächelnde weißhaarige Mann.

Kaum jemand hatte 2011 nach dem Ende des Zivildiensts, den jährlich bis zu 130.000 junge Männer leisteten, mit einem raschen Erfolg des vom Bund eingerichteten neuen Freiwilligendienstes gerechnet. Vielmehr schrillten bei vielen Einrichtungen im Sozial- und Gesundheitsbereich die Alarmglocken, wie ihre Arbeit nach dem Wegfall ihrer überall eingesetzten Zivildienstleistenden weitergehen sollte.

Doch schnell wurde das Projekt zum Erfolgsmodell. Heute engagieren sich bundesweit rund 40.000 Bundesfreiwillige, hinzu kommen noch das von den Bundesländern organisierte Freiwillige Soziale und Freiwillige Ökologische Jahr mit aktuell mehr als 70.000 Teilnehmern.

Jeder dritte Bufdi älter als 27 Jahre

Neu ist, dass sich im Bundesfreiwilligendienst zunehmend auch Ältere engagieren. Derzeit ist rund jeder dritte Bufdi älter als 27 Jahre - eine wertvolle Ergänzung, weil "sie oft ganz andere Lebens- und Berufserfahrungen einbringen können als die Jungen, die gerade von der Schule kommen", sagt Carola Zimmermann. Sie organisiert beim Caritasverband im Erzbistum Freiburg, in dessen Einrichtungen aktuell

65 "alte" Bufdis arbeiten, die Stellenvergabe. Sie wählt die Bewerber aus und koordiniert Fortbildungen und die regelmäßigen Austauschtreffen. So starten Frauen nach der Kinderzeit über den Bundesfreiwilligendienst zurück in den Beruf. Für Migranten wie Jaja Vazquez, die nach einer Aupair-Tätigkeit als Bufdi anfing, kann der Dienst ein Schritt zur Integration sein.

Kritik, dass der Bundesfreiwilligendienst nur ein Vermittlungsangebot für billige Arbeitsplätze sei, lässt Zimmermann nicht gelten: "Das soziale Engagement steht im Mittelpunkt. Und ich glaube, wir können kaum überschätzen, wie viel ein solches Jahr zur Persönlichkeitsentwicklung der Freiwilligen beitragen kann", sagt sie. Für ihre Arbeit erhalten die Freiwilligen in der Regel ein Taschengeld von bis zu 330 Euro monatlich. Manche Einrichtungen wie Krankenhäuser oder Pflegeheime bieten auch eine Unterkunft an.

Wiedereinstieg in den Beruf

Für Wolfgang Lienenklaus ist der Bundesfreiwilligendienst so etwas wie eine letzte Chance. Der 58-Jährige ist gelernter Elektriker und hat wegen schwerer Rückenprobleme keine Aussicht mehr auf einen Job am ersten Arbeitsmarkt. "Ich habe lange selbstständig gearbeitet, nach einem Bandscheibenvorfall ist jetzt aber mein linkes Bein ab dem Knie gelähmt und ich kann nichts Schweres mehr heben", erzählt er, während er in seiner kleinen Werkstatt an einem Wasserkocher herumschraubt. Seit 18 Monaten arbeitet er als Bufdi im baden-württembergischen Second-Hand-Kaufhaus "Secondo".

Wie es nach Ablauf seiner Dienstzeit weitergeht, ist noch unklar. Er hofft auf eine geringfügige Beschäftigung. Seine Chefin Silvia Mayer setzt sich für Lienenklaus ein: "Über den Bundesfreiwilligendienst können wir vielen Menschen auch wieder neu zur Teilhabe an Gesellschaft und Arbeitsleben verhelfen." Und doch sind ihr Grenzen gesetzt. Eine Verlängerung der Dienstzeit sieht das Gesetz nicht vor. "Hier würde ich mir manchmal unbürokratischere Lösungen wünschen."


Quelle:
KNA