Alleinerziehende laut Studie armutsgefährdet

"Die Kinder leiden"

Knapp eine Million Kinder von Alleinerziehenden in Deutschland leben von Hartz IV. Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung zeigt, dass mit einer Trennung vom Partner das Armutsrisiko wächst. Ein Interview mit der Katholischen Arbeitnehmerbewegung.

Kinderarmut / © Christian Hager (dpa)
Kinderarmut / © Christian Hager ( dpa )

domradio.de: Können Sie nochmal kurz erläutern, warum das Armutsrisiko bei Alleinerziehenden derart hoch ist?

Annette Seier (Referentin im familienpädagogischen Zentrum der Katholischen Arbeitnehmerbewegung): Es liegt daran, dass alleinerziehende Eltern, vor allem Mütter, sie machen 90 Prozent aus, häufig nur teilzeitbeschäftigt sind. Sie sind im Wesentlichen für den Lebensunterhalt für sich und ihre Kinder auf die Unterhaltszahlung durch den unterhaltspflichtigen anderen Elternteil, häufig des Vaters, angewiesen.

domradio.de: Das heißt, es gibt Elternteile, die ihren Unterhalt nicht bezahlen?

Seier: Manche können nicht, manche wollen nicht. Aber wir müssen davon ausgehen, dass es Elternteile gibt, die den Unterhalt nicht ganz oder nur teilweise nicht zahlen können. Das, was dabei rauskommt, ist, dass die Kinder darunter leiden. Aus der Perspektive des Kindeswohls müsste man dafür plädieren, dass die fehlenden Unterhaltsleistungen, die nicht vom fehlenden Elternteil kommen, vom Staat erstmal geleistet werden müssen, damit die Kinder nicht darunter leiden.

domradio.de: Was raten Sie dem betroffenen Elternteil, wenn der Unterhalt des anderen Elternteils nicht bezahlt wird?

Seier: Jede Familie, jede alleinerziehende Mutter oder der alleinerziehende Vater, hat die Möglichkeit in der Kommune die Stellen für den Unterhaltsvorschuss aufzusuchen. Die sind meistens im Sozialamt angesiedelt. Dort kann man Unterhaltsvorschuss beantragen. Allerdings gibt es das Problem, dass der Vorschuss nur sehr begrenzt gewährt wird. Erstens, nur bis maximal zum Alter von zwölf Jahren und maximal sechs Jahre lang. Das heißt, wenn ich den Antrag im Alter des Kindes von acht Jahren stelle, dann bekomme ich das nur noch vier Jahre lang.

Oder aber ich stelle den Antrag im Alter des Kindes von zwei Jahren, dann bekomme ich das Geld nur bis das Kind acht Jahre alt ist, weil die Bezugsdauer nur sechs Jahre dauert. Diese beiden Grenzen müssten unbedingt im Unterhaltsvorschussgesetz aufgehoben werden.

domradio.de: Wäre ein existenzsicherndes Kindergeld eine realistische Forderung?

Seier: Das wäre auf jeden Fall eine realistische Forderung. Nur haben wir da immer das Problem, dass, sobald wir da eine konkrete Zahl benennen. Im Moment müsste das Kindergeld deutlich oberhalb der Regelsätze in Hartz IV für Kinder liegen, dann wären wir eigentlich bei etwa 300 Euro existenzsicherndem Kindergeld, vielleicht auch noch ein bisschen höher, plus Wohngeld. Das wäre die andere Variante, womit man alleinerziehende Familien, die aufgrund der Existenzsicherung für ihre Kinder, in Hartz IV sind, aus dieser kindbedingten Armut herausführen könnte.

domradio.de:  Wie wollen Sie bei der Politik darum werben, dass Alleinerziehende besser gestellt werden?

Seier: Ich finde immer, dass es ganz wesentlich ist, aus der Perspektive des Kindes zu argumentieren. Denn wir alle wissen, dass lange Armutserfahrung, gerade im Kindesalter, gravierende negative Auswirkungen auf Teilhabe- und Teilnahmechancen im ganzen weiteren Leben hat. Das darf eigentlich in so einer Gesellschaft wie der unseren gar nicht passieren. Das ist eigentlich ein Skandal, dass wir Kinderarmut haben. Das ist für mich immer der Punkt zu sagen, aus der Perspektive Kind, wir müssen beste Starchancen bieten.

Und wir müssen auch vom Staat her dafür sorgen, dass  gerade Kinder von alleinerziehenden Familien nicht in jahrelangen Gerichtsprozessen sich um Unterhalt streiten müssen und in ständiger Unsicherheit leben müssen. Wir müssen eine Form finden, entweder über Unterhaltsvorschuss oder über existenzsicherndes Kindergeld, dass Familien an dieser Stelle aus der kindbedingten Armut herausgeführt werden.

Das Gespräch führte Uta Vorbrodt


Quelle:
DR