KAB zur Veröffentlichung von geheimen TTIP-Dokumenten

"Einigungen zu Lasten Dritter"

Greenpeace hat bislang geheime Papiere zu TTIP, dem Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU, veröffentlicht. Kritiker wie der Katholische Arbeitnehmerbund sehen ihre Sorgen bestätigt und mahnen demokratische Kontrolle an.

Protest gegen TTIP (dpa)
Protest gegen TTIP / ( dpa )

domradio.de: Der KAB hat sich in der Vergangenheit dem Handelsabkommen gegenüber kritisch geäußert. Ändert sich durch die Veröffentlichung jetzt etwas daran?

Dr. Michael Schäfers (Bundesgeschäftsführer des Katholischen Arbeitnehmerbundes): Nein, da ändert sich überhaupt nichts. Wir haben insofern neue Erkenntnisse, dass man an den geleakten Papieren sieht, welche Macht Ausschüssen zukommen soll, die technischen Normen oder gesundheitlichen Normen verhandeln, ohne dass hier die Öffentlichkeit oder die demokratischen Entscheidungsgremien einbezogen werden. So etwas bestärkt uns.

domradio.de: Welches sind ihre größten Kritikpunkte?

Schäfers: Die Ausschüsse zeigen jetzt noch einmal, dass die demokratische Kontrolle nicht gewährleistet ist. Für uns als katholische Arbeitnehmerbewegung ist natürlich entscheidend, was TTIP zu den Fragen von Arbeitnehmerrechten enthält. Dazu finden wir in den jetzigen Papieren nichts. Aber wir wissen aus anderen Erfahrungen der Freihandelsabkommen der USA wie etwa mit Asien, dass die Kern-Arbeitsnormen in keiner Form aufgenommen werden. Wir befürchten sehr stark, dass hier nach unten reguliert wird, anstatt Arbeitnehmer-Rechte und Mitbestimmungsrecht zu stärken. 

domradio.de: Wenn man an Amerika denkt, dann hat man schnell einen Begriff im Kopf wie "Hire and Fire", das sich mit Heuern und Feuern übersetzen lässt…

Schäfers: Genau das ist unser Problem. Wenn hier keine Standards festgelegt werden, dann wird es zu einem Wettbewerb um die billigsten Löhne, um die schlechtesten Arbeitsverhältnisse oder um die schlechtesten Regulierungen kommen. Die neuen Veröffentlichungen weisen genau in diese Richtung.

domradio.de:  Befürworter von TTIP sagen, das Handelsabkommen wäre ein Jobmotor, wichtig für das Wirtschaftswachstum, was sagen Sie dazu?

Schäfers: Wir haben ja eine Menge Untersuchungen bemüht, was TTIP im Arbeitsmarkt bringt. Diese sind in den letzten Monaten erheblich vorsichtiger geworden. Die großen Jobwunder-Versprechen sind längst ad absurdum geführt worden. Es bleibt ja auch die Frage - wenn Handelshemmnisse abgebaut werden - wer das alles kaufen soll, was an Mehrprodukten über den internationalen Handel abgewickelt werden muss. 

Von daher bezweifeln wir, dass es zu einem hohen Zuwachs an Arbeitsplätzen kommen wird. Im Gegenteil. Die Untersuchungen zeigen auch, dass Arbeitsplätze gefährdet werden, wenn der Dumping-Wettbewerb noch mal verschärft wird. Das passiert etwa im landwirtschaftlichen Bereich. Das kann man auch den Verhandlungsunterlagen entnehmen. 

domradio.de: Das heißt, dass auch die Überproduktion sich noch verschärft? 

Schäfers: Genauso ist es. Es trifft dann nicht nur den Wirtschaftsraum der EU und USA, sondern es trifft auch die Länder des globalen Südens, denen wir ja gerade unter fairen Handelsbedingungen einen Zugang zum Weltmarkt ermöglichen wollen und müssen, um hier gerechtere Handelsstrukturen herzustellen.

domradio.de:  Die Umweltschützer von Greenpeace wollten ihrer Kritik Nachdruck verleihen, indem sie 248 Seiten Originaldokumente veröffentlicht haben. Was steht genau in den Papieren drin?

Schäfers: Es gibt mehrere Kapitel. Technologie und Transfer spielen eine große Rolle, ebenso Landwirtschaft und auch grundlegende Verfahren, wie einige Sachen geregelt werden sollen. Es geht generell um den Abbau von Handelshemmnissen, die durch bilaterale Regelungen herbeigeführt werden sollen. Die Kapitel machen deutlich, was der Geist des Freihandels ist, nämlich, dass sich zwei Partner einigen  - gegebenfalls zu Lasten Dritter, was natürlich entsprechende Auswirkungen hat. 

domradio.de: Was für Möglichkeiten gibt es, sich dagegen zu wehren? 

Schäfers: Es ist ja so, dass momentan auch die "CETA" - also die kanadisch-europäischen Verhandlungen - anstehen. CETA ist die Blaupause für TTIP und umgekehrt. Und da steht einiges an, was man tun kann. Ganz konkret: mit politisch Verantwortlichen zu reden, Bündnisse zu organisieren und die Organisationen unterstützen, die die Abkommen stoppen wollen.

Das Interview führte Uta Vorbrodt.


Quelle:
DR