Fragen und Antworten

Sozialbetrug: Im Grunde sind nicht nur Pflegedienste beteiligt

Das Entsetzen über den Abrechnungsbetrug durch russische Pflegedienste ist groß. Doch sie brauchen offenbar Mittäter. Schärfere Kontrollen dürften nicht einfach werden.

Autor/in:
Ruppert Mayr
Ruf nach schärferen Kontrollen in der Pflege (dpa)
Ruf nach schärferen Kontrollen in der Pflege / ( dpa )

Abrechnungsbetrug bei Pflegeleistungen ist schon länger bekannt. Bisher ist man aber immer von einer überschaubaren Zahl von Einzelfällen ausgegangen, nicht von systematischen, organisierten kriminellen Strukturen vor allem russischer Pflegedienste. Aufgeschreckt durch solche Berichte will die Bundesregierung die Kontrollen der Pflegeabrechnungen verschärfen, möglicherweise auch durch gesetzliche Änderungen. Darüber soll in Kürze mit den Gesundheitsministern der Länder sowie mit dem Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gesprochen werden. Es gelte dabei auch, mögliche Lücken in der häuslichen Pflege zu schließen, sagte ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums.

Wie wird bei Pflegeabrechnungen am häufigsten betrogen?

Im wesentlichen werden vier Betrugsarten genannt:

-  Es werden Patienten abgerechnet, die nicht (mehr) existieren.
-  Es werden die erforderlichen Leistungen nicht erbracht.
-  Es werden mehr Leistungen abgerechnet als erforderlich sind (SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach in der ARD) 
-  Es werden Fachkräfte bezahlt, obwohl ungelernte Hilfskräfte die Leistungen erbracht haben. (Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung, GKV)

Wer ist an dem Betrug beteiligt?

Offenbar nicht nur Pflegdienste. Der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) weist darauf hin, dass kriminelles Verhalten im Bereich der ambulanten Pflege durch einzelne russische Pflegedienste nur möglich sei, «wenn Angehörige, Pflegebedürftige und Pflegedienste in betrügerischer Absicht zusammenwirken». Alle Leistungen müssten nämlich von den Pflegebedürftigen und Pflegekräften täglich abgezeichnet werden.

Wo gibt es möglicherweise gesetzlichen Handlungsbedarf?

"Der Gesetzgeber hat Pflegeversicherung und Krankenversicherung künstlich getrennt", sagt der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch. "Für ihr perfides Spiel auf Kosten der Pflegebedürftigen nutzt die organisierte Kriminalität die fehlende Verzahnung." Denn Leistungen der Pflegekassen können durch die GKV kontrolliert werden, Leistungen der häuslichen Krankenpflege sind ärztliche Aufgaben und können nicht durch die GKV kontrolliert werden.

Wie sieht das in der Praxis aus?

Brysch nennt ein Beispiel aus der Pflege-WG: Dort wird das morgendliche Waschen eines Patienten über die Pflegekasse abgerechnet, seine Wundversorgung aber als häusliche Krankenpflege über die Krankenkasse. Im ersten Fall könnte durch die Kasse kontrolliert werden, im zweiten nicht. Bei diesem Beispiel geht es aber nur um kleine Summen. Bei Schwerstkranken, die intensiv versorgt werden müssen, wirkt sich dieses Nebeneinander beider Versicherungen massiver aus. In sogenannten Beatmungs-WGs, in denen etwa Wachkoma-Patienten zusammen leben und betreut werden, fallen laut Brysch pro Patient monatlich schnell mal mehr als 20 000 Euro an. Auch hier fehlen wirksame Kontrollen.

Was müsste also geändert werden?

Lauterbach und GKV-Spitzenverband wollen, dass auch "im Bereich der Krankenkassen, die also die Intensivpflege organisieren, unangemeldet überprüft werden" dürfe. Solange die Leistungen aber in ärztliche Zuständigkeit fallen, dürfte eine solche Kontrolle durch die GKV schwer durchzusetzen sein. Brysch fordert Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) auf, die gesetzlichen Grundlagen zu schaffen, damit beide Versicherungen «endlich gemeinsam in den Blick genommen werden» können. Und Lauterbach will Änderungen möglichst noch in dieser Legislaturperiode, doch auch das ist fraglich. 


Quelle:
dpa