Bundestag debattiert über umstrittene Reform

Streitfall Pflegeausbildung

​Deutschland hat einen großen Bedarf an Pflegekräften. Und einen großen Mangel. Deshalb soll die Ausbildung modernisiert werden. Am Freitag debattiert der Bundestag erstmals über die umstrittene Reform.

Autor/in:
Christoph Arens
Pflegerin auf einer Palliativstation / © Harald Oppitz (dpa)
Pflegerin auf einer Palliativstation / © Harald Oppitz ( dpa )

In erster Lesung debattiert das Parlament den Gesetzentwurf von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU), der eine Zusammenlegung der Ausbildungen in Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege vorsieht.

Das Gesetz soll noch vor der Sommerpause verabschiedet werden. Im Januar 2018 könnte der erste Ausbildungsjahrgang starten. Die neue Pflegeausbildung wird drei Jahre dauern. Die künftigen "Pflegefachfrauen" und "Pflegefachmänner" sollen angemessen entlohnt werden; das bisher teilweise noch zu zahlende Schulgeld soll entfallen.

Pflegeberuf muss attraktiver werden

Finanziert werden soll die Ausbildung durch Landesfonds, in die die Krankenversicherungen, die Pflegeversicherung und die Länder einzahlen sollen. Die Mehrkosten von 320 Millionen Euro pro Jahr müssen aber auch von den Einrichtungen aufgebracht werden, die bisher nicht ausbilden. Ergänzend vorgesehen ist eine dreijährige Pflegeausbildung an Hochschulen mit erweiterten Ausbildungszielen und einem akademischen Grad.

Pflegeexperten weisen darauf hin, dass der Pflegeberuf dringend attraktiver gemacht werden müsse. Von Pflegenotstand ist die Rede. Bis 2030 wird die Zahl der Pflegebedürftigen um die Hälfte auf knapp 3,5 Millionen Menschen steigen, 2050 werden es bereits 4,5 Millionen sein.

Mangel in Alten- und Krankenpflege

Schon heute fehlt qualifiziertes Personal in Krankenhäusern und Heimen: Allein in der Altenpflege wird der Mangel auf rund 30.000 geschätzt. Die Bertelsmann Stiftung geht für 2030 gar von einer halben Million fehlender Fachkräften aus. Auch in der Krankenpflege wird Personal gesucht, der Mangel ist aber nicht ganz so groß. Schon heute wirbt die Bundesrepublik im Ausland Pflegekräfte an.

Im Schuljahr 2013/2014 absolvierten insgesamt 133.000 Auszubildende eine der drei derzeitigen Pflegeausbildungen, 62.000 davon in der Altenpflege und 6.000 in der Kinderkrankenpflege. Befürworter erhoffen sich von der Zusammenlegung der Ausbildungen, dass die Pflegeberufe attraktiver und Berufswechsel innerhalb der Branche erleichtert werden.

Gemeinsame Aufgabengebiete

Zudem verweisen Befürworter darauf, dass sich die Aufgabengebiete immer stärker überlappen: Pflegekräfte im Krankenhaus müssen häufiger mit Demenzkranken umgehen, ihre Kollegen in Altenheimen brauchen verstärkt krankenpflegerische Kompetenzen.

"Alle gemeinsam müssen gut Bescheid wissen über Anatomie, Wundbehandlung, Hygiene, ethische und rechtliche Fragen", argumentiert etwa Gröhe. Für den Pflegebeauftragten der Bundesregierung, Karl-Josef Laumann (CDU), gibt es daneben einen politischen Grund: Er verspricht sich von einem gemeinsamen Berufsbild, dass die Pflegeberufe eine stärkere Stimme im Gesundheitssystem erhalten - sie stellen dort die größte Berufsgruppe.

Caritas und Diakonie: "Richtige Antwort"

Die generalistische Pflegeausbildung ist allerdings in der Branche umstritten. Pflege- und Wohlfahrtsverbände begrüßten den Schritt. Nach Einschätzung von Caritas und Diakonie ist die Gesetzesvorlage "die richtige Antwort auf die veränderten Anforderungen, die sich durch die demografischen Veränderungen für das Gesundheitssystem ergeben".

Kritiker befürchten demgegenüber eine Verflachung der Inhalte in einer generalistischen Ausbildung. So erklärt etwa das Bündnis für Altenpflege: "Das geplante Gesetz führt zur Gefährdung der Versorgungsqualität." Damit würde die Altenpflege faktisch abgeschafft. "Altenpflege heißt Langzeitpflege und -begleitung. Das erfordert eine spezielle Ausbildung."

Kritiker befürchten Qualitätsverlust

Auch der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) warnt, eine generalistische Ausbildung führe "zwangsläufig zu verflachtem Wissen - und zwar einseitig zulasten der Altenhilfe". Er befürchtet, dass junge Leute, die mit dem Wunsch des Altenpflegers angetreten sind, dann doch in die vermeintlich attraktivere und teilweise besser bezahlte Krankenpflege wechseln.

Auch die Kinder- und Jugendärzte schlagen Alarm. "Die Pflege kranker Kinder wird sehr darunter leiden; dies wird zu einem deutlichen Qualitätsverlust in der Pflege führen." Die hohe Spezialisierung sei notwendig, um zum Beispiel Frühchen fachgerecht versorgen zu können.


Herrmann Gröhe / © Maurizio Gambarini (dpa)
Herrmann Gröhe / © Maurizio Gambarini ( dpa )
Quelle:
KNA