Wie kirchliche Stiftungen auf die Niedrigzinsen reagieren

"Im Moment können wir überleben"

Kirchliche Stiftungen gibt es schon seit dem neunten Jahrhundert. Doch das jahrhundertealte Erfolgsmodell ist wegen der Niedrigzinsen bedroht. Der Markt lockt mit profitablen Anlagestrategien - doch die sind riskant.

Autor/in:
Michael Merten und Julia Haase
Geld spenden / © Karl-Josef Hildenbrand (dpa)
Geld spenden / © Karl-Josef Hildenbrand ( dpa )

558 Jahre - eine gewaltige Tradition schultert Pfarrer Leo Hofmann. "Das ist eine Würde und eine Bürde zugleich", sagt der Rektor des Cusanusstifts in Bernkastel-Kues. In dem Moselort wurde 1401 der Gelehrte und Kardinal Nikolaus von Kues geboren. Er stiftete mit seinem elterlichen Erbe 1458 ein Armenhospital, in dem auf ewig 33 alte Männer versorgt werden sollten. Heute leben rund 60 Senioren, darunter auch Frauen, in der spätgotischen Stiftsanlage am Flussufer.

Schon seit dem neunten Jahrhundert gibt es kirchliche Stiftungen, sie gelten als Ursprung des deutschen Stiftungswesens. Ihre Zahl wird aktuell auf rund 30.000 geschätzt, darunter sind jedoch viele unselbstständige Treuhandstiftungen - teils mit geringem Kapital. 

Konservativ und sicher vs. profitabel und riskant

Jahrhundertelang hat ihr Geschäftsmodell gut funktioniert, wonach das Vermögen bestehen bleibt und nur die Zinserträge für einen bestimmten Zweck eingesetzt werden. Doch die niedrigen Zinsen bedrohen dieses Modell. Bei 0,05 Prozent liegt aktuell der Leitzins der Europäischen Zentralbank - verglichen mit 4,25 Prozent im Jahr 2008.

Wie jeder Sparer stehen auch die Stiftungen vor der Frage: Soll man auf konservative, sichere Anlagemöglichkeiten setzen, die aber kaum noch Erträge bringen? Oder soll man es mit profitableren Strategien versuchen, die aber deutlich riskanter sind? Eine Umfrage des Wirtschaftsprüfungsunternehmens PwC vom Januar hat ergeben, dass fast jede dritte deutsche Stiftung einen Teil ihres Vermögens bereits in solche riskantere Anlageformen umgeschichtet hat. Im Grundsatz hielten die Stiftungen jedoch an einer konservativen Anlagepolitik fest.

"Wir machen keine Experimente"

Für Rektor Hofmann und sein kleines Team aus Sekretärin, Buchhalter im Nebenjob und ehrenamtlichem Verwaltungsrat stellt sich die Frage nach riskanten Anlagestrategien nicht. "Das machen wir nicht. Wir machen keine Experimente", sagt der Pfarrer. Ihm kommt zugute, dass das Cusanusstift viele langfristige Erbpachtverträge für Weinberge und Liegenschaften abgeschlossen hat. Diese Haupteinnahmequellen seien stabil; dennoch wirke sich die Niedrigzinsphase durch Einbußen aus, sagt Hofmann. Er nimmt die Situation so an, wie sie ist: "Im Moment können wir überleben."

Die Rahmenbedingungen sind auch für Thomas Theis kein Grund, Alarm zu schlagen. "Die Niedrigzinsphase wird die generelle Risikobereitschaft unserer Stiftungen nicht fundamental verändern", sagt der Leiter des Stiftungszentrums des Bistums Trier. Es sei ein Anlass, auch nach Alternativen zu schauen, "aber im Grunde wird es bei einer eher konservativen Anlage bleiben".

Probleme für kleine und mittlere Stiftungen befürchtet

Auch der Vorstandsvorsitzende der Stifterbetreuung im Erzbistum Köln, Thomas Hoyer, sagt: "Wir haben klare Anlagerichtlinien und achten streng auf das Rating, aber auch auf Kriterien wie Ethik und Nachhaltigkeit."

Der Geschäftsführer der Münchner Stiftungszentrum.de Servicegesellschaft, Philipp Hof, sieht den starken Zinsrückgang vor allem für kleine und mittlere Stiftungen langfristig zum Problem werden. Der Partner der örtlichen Don Bosco Stiftung sagt, dass große Stiftungen professionell aufgestellt seien. Dort würden mehrere Vermögensverwalter mit Anlagemöglichkeiten in speziellen Fonds beauftragt, es gebe unabhängige Risikocontroller, die turnusmäßig das Verhältnis von Ertrag und Risiko bewerteten.

"Mehr Spenden generieren"

Eine Option ist die Suche nach neuen Einnahmequellen, etwa durch das stärkere Einwerben von Spenden oder Zustiftungen. Im Bistum Trier wurden zum Jahresbeginn das Stiftungswesen und die Fundraisingentwicklung als strategisches Entwicklungsfeld zusammengeführt. "Hier sehen wir Synergien und Entwicklungspotenziale", sagt Theis. Doch professionelles Fundraising braucht Personal und Know-How.

Aus Sicht von Philipp Hof lohnt sich dieser Aufwand für kleine Stiftungen nur, wenn auf einmal große Spenden wie etwa durch Erbschaften generiert werden können. Kleine Beträge bekomme man zwar einfacher, langfristig sei man aber auf große Beträge angewiesen. Hof hat einen Wunsch: "Für die Zukunft müsste es gelingen, dass gerade vermögenden Menschen mehr für Stiftungen spenden."


Quelle:
KNA