Beginn der Schlacht von Verdun vor 100 Jahren

Blutiger Höhepunkt des Ersten Weltkrieges

Wo damals kein Grashalm übrig blieb, stehen heute unzählige weiße Kreuze auf einem Gräberfeld - zur Erinnerung an eine der schlimmsten Schlachten der Weltgeschichte. In Verdun, der "Welthauptstadt des Friedens", bleibt das Grauen lebendig.

Gräberfeld in Verdun / © Nicolas Bouvy (dpa)
Gräberfeld in Verdun / © Nicolas Bouvy ( dpa )

Da, wo die Toten nur noch pro Quadratmeter berechnet wurden, ist es heute still - totenstill. Abseits der zentralen Mahnmale scheint es fast, als sei Gras über die Sache gewachsen. Doch Verdun steht immer noch für eine der schlimmsten Schlachten der Weltgeschichte.

Es sollte ein schneller Sieg über Frankreich werden, eine Art Spaziergang. Doch schon im Sommer 1915 war die deutsche Sturmtaktik gescheitert, der Angriff in Lothringen festgefahren. Fortan hoben Soldaten Hunderte Kilometer von Schützengräben aus, in denen sie überleben oder sterben sollten. Zum Jahreswechsel 1916 wechselt der deutsche Generalstabschef Erich von Falkenhayn die Strategie: Er lässt in Verdun, dem stärksten Abschnitt der französischen Front, angreifen - nicht, um einen Durchbruch zu erzielen, sondern um die Franzosen zu zwingen, hier immer neue Reserven zu binden. Den Feind in der "Mühle von Verdun" zerreiben und "ausbluten", nannte man das. Eine Abnutzungsschlacht, die am 21. Februar 1916 beginnt.

Gasmasken gegen den Gestank

Und die Todesmühle beginnt zu mahlen. 60 Millionen Granaten detonieren 1916 auf einem Schlachtfeld von 248.000 Hektar Größe - und sorgen binnen zehn Monaten für rund 700.000 Tote und Vermisste. Die Festung Douaumont, die größte um Verdun, fällt schon im Februar 1916 in die Hand der Deutschen. Die pferchen statt der vorgesehenen 800 bis zu 3.500 ihrer Soldaten hier ein. Doch auch dieser Vormarsch kommt sofort zum Erliegen; von März bis Juni tobt um Verdun ein immer wilderer Stellungskrieg.

Männer werden unter dem meterdicken Betonverhau und dem Trommelfeuer buchstäblich verrückt vor Angst. Manche beten in der kleinen Kapelle; viele allerdings dürften in dieser Hölle auch den Glauben verloren haben: überall Tote, Verletzte, Schreie. Die Soldaten tragen Gasmasken, nur um den Gestank auszuhalten. Und draußen ist es noch schlimmer: Granattrichter neben Granattrichter, Qualm und Schmerzensschreie, Regen und Schlamm, Frost oder Hitze. Anders als die Franzosen wechseln die Deutschen ihre Truppen nicht aus; 300 Tage und 300 Nächte lang sind sie Teilnehmer an einem beispiellosen Blutbad: 1,5 Millionen Soldaten, die um ein paar Quadratkilometer Schlamm ringen. Geländegewinne: keine. Nur Besiegte.

Verdun als Mahnmal - das auch vermarktet wird

Am Ende ist kein Grashalm übrig. Die Soldaten, längst mehr abgestumpftes Menschenmaterial als Menschen, nehmen ihre toten Kameraden als Schilde, bereit, ein verwüstetes Nichts mit ihrem Leben zu verteidigen. "Nie wieder Krieg" hätte eine Botschaft sein können, die von diesem Ort sinnlosen Sterbens ausgeht. Doch die Deutschen haben eine andere Lektion aus den Blutbädern von 1914/18 gelernt - und sich auf die kommenden noch gründlicher vorbereitet.

Etwas oberhalb des Forts, auf dem Hügel, liegt heute eines der weltweit bekanntesten Mahnmale gegen den Krieg: das Gebeinhaus von Douaumont, das zwischen 1920 und 1932 auf Initiative des Bischofs von Verdun, Charles Ginistry, erbaut wurde. Das eigenwillige weiße Art-Deco-Gebäude stellt ein in die Erde gestecktes Schwert dar, im Mittelalter ein Symbol des Friedens. Die Überreste von 130.000 Opfern sind hier versammelt; der Tod bringt die Feinde, Franzosen und Deutsche, zusammen. Auf dem schier endlosen Gräberfeld davor, dem "Feld der Ehre", liegen weitere 15.000 Franzosen bestattet, gestorben fürs Vaterland. Ein Wald von kleinen Betonkreuzen ist von ihnen geblieben. Zwei Drittel der Toten von Verdun, zerfetzt oder verdurstet, blieben unbeerdigt im Gelände liegen.

Wer sich als Tourist seine Sensibilität bewahrt hat, erlebt in Verdun ein Wechselbad der Gefühle: Grauen, Fassungslosigkeit, aber auch Zorn über eine unvorstellbare Vermarktung des Unvorstellbaren: Denn in der selbst ernannten "Welthauptstadt des Friedens" gibt es neben vielen ernsthaften Initiativen auch allerhand 3-D-Spektakel, Schneekugeln, Schnapsgläser, Friedenspfeifen und Fingerhüte des Erinnerns. Eine Fremdenführerin wirbt achselzuckend um Verständnis: "Die Leute wollen halt auch leben."


Quelle:
KNA