Bundestag berät über Asylpaket II

Heftige Kritik hält an

Der Bundestag berät heute in Erster Lesung das Asylpaket II. Damit sollen die Asylverfahren beschleunigt, der Zuzug von Flüchtlingen verringert und der Familiennachzug für Minderjährige ausgesetzt werden. Von Wohlfahrtsverbänden kommt nach wie vor heftige Kritik. 

Flüchtlinge an der Drehscheibe am Kölner Flughafen / © Federico Gambarini (dpa)
Flüchtlinge an der Drehscheibe am Kölner Flughafen / © Federico Gambarini ( dpa )

Der Bundestag berät an diesem Freitag erstmals über das zweite Asylpaket, das Schnellverfahren für Flüchtlinge mit geringer Bleibeperspektive, niedrigere Hürden bei der Abschiebung Kranker und die Aussetzung des Familiennachzugs subsidiär Schutzberechtigter vorsieht. Es wird damit gerechnet, dass auch syrische Bürgerkriegsflüchtlinge in diese Kategorie des untergeordneten Schutzes fallen. Die Verabschiedung des Gesetzentwurfs ist für kommende Woche geplant. Er ist im Bundesrat nicht zustimmungspflichtig. Auch die Erste Lesung des Gesetzentwurfs zur Erweiterung der sicheren Herkunftsstaaten steht auf der Tagesordnung. Danach sollen Tunesien, Marokko und Algerien in die Liste der sicheren Länder mitaufgenommen werden. Anders als beim Asylpaket II muss der Bundesrat darüber mitentscheiden.

Die Kritik an den Vorhaben der Bundesregierung hält unterdessen an, beispielsweise von der Menschenrechtsorganisation Pro Asyl und Wohlfahrtsverbänden. Pro Asyl stößt sich nicht nur an inhaltlichen Aspekten des Asylpakets, sondern bemängelt auch eine "Hektik des Gesetzgebungsverfahrens". Geschäftsführer Günter Burkhardt erklärte: "Diese Art der Gesetzgebung ist unseriös und benutzt das Parlament nur noch als Akklamationsinstrument. Was nun an Verschärfungen im Schweinsgalopp durchgejagt wird, höhlt Flüchtlingsrechte auf Dauer aus." Die Abgeordneten sollten dem Gesetzentwurf nicht zustimmen.

Kritik von SOS-Kinderdorf 

Der Verein SOS-Kinderdorf hat an den Bundestag appelliert, im Asylpaket II den Familiennachzug für minderjährige Flüchtlinge weiter zu erlauben. Das Grundgesetz benenne den Schutz der Familie, die UN-Kinderrechtskonvention den Vorrang des Kindeswohls, sagte Geschäftsführerin Birgit Lambertz dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die aktuellen Gesetzespläne gefährdeten sowohl die Einheit der Familie als auch das Kindeswohl. "Es sollte eine Selbstverständlichkeit sein, diese Grundsätze im Gesetz zu berücksichtigen", sagte Lambertz.

Lambertz zufolge haben die SOS-Kinderdörfer im vergangenen Jahr mehr als 400 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aufgenommen. "Die Kinder und Jugendlichen stehen unter einem hohen Druck", berichtete die Vereins-Geschäftsführerin. Sie hätten Schuldgefühle, weil sie in Sicherheit sind, und gleichzeitig große Sorgen um die Familie, die zurückgeblieben ist. "Sie spüren Verantwortung etwa für Geschwister", sagt Lambertz. Wenn sie dann das Gefühl bekämen, die Gesellschaft helfe ihnen nicht dabei, "suchen sie sich manchmal auch falsche Orientierung, um vermeintliche Hilfe zu finden", erklärte die promovierte Psychologin.

Dazu gehöre etwa der Wunsch, schnell Geld zu verdienen, um die Familie zu unterstützen. Das Risiko durch Gefährdungen wie Extremismus, Diebstahl und Drogen sei höher. "Für junge Menschen ist das eine hochgradig belastende Situation", sagte Lambertz.   Der Verein mit Sitz in München fürchtet zudem, dass das Gesetz vielen derzeit noch Minderjährigen ganz die Chance auf ein Nachholen der Eltern nimmt. Ein großer Teil von ihnen seien Jugendliche. Die Aussetzung des Familiennachzugs für zwei Jahre sowie die ohnehin langen Verfahren würden in vielen Fällen dazu führen, dass Betroffene dann selbst volljährig sind und keine Möglichkeit mehr für den Familiennachzug haben, erklärte Lambertz.

Lückenloses Programm gefordert

Die SPD fordert einem Zeitungsbericht zufolge eine schnelle Verständigung in der Koalition auf ein milliardenschweres Paket zur Integration von Flüchtlingen. "Das Asylpaket II wird jetzt im Bundestag beraten und verabschiedet. Der nächste Schritt muss schnell folgen", sagte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann der Oldenburger "Nordwest-Zeitung". "Wir brauchen ein Integrationsförderungsgesetz für Deutschland." Oppermann forderte "ein lückenloses Programm von Sprachkursen über Kitas und Ganztagsschulen, Ausbildungsplätze, Maßnahmen zur Arbeitsintegration bis hin zum Wohnungsbau". Er sprach von einem großen Aufwand, "aber wir dürfen vor den Kosten der Integration keine Angst haben". Sollte Integration nicht gelingen, wäre das für Staat und Steuerzahler "viel teurer".

Mit Blick auf eine mögliche Erweiterung der Liste der sicheren Herkunftsstaaten will Schleswig-Holsteins Vize-Regierungschef Robert Habeck (Grüne) im Bundesrat nicht mit Ja stimmen. "Wenn es wirklich darum geht, Verfahren zu beschleunigen, muss man nicht weitere Länder zu sicheren Herkunftsstaaten erklären, sondern dann muss das Bundesamt für Migration schneller und effizienter arbeiten", sagte Habeck der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post".

Beim jüngsten Kompromiss zum Asylpaket II habe er noch zustimmen können, weil die Grünen für Menschen aus dem Balkan legale Zuwanderungskorridore aushandeln konnten. "Eine solche Logik fehlt mir jetzt", sagte Habeck. "Und die Lage in den nordafrikanischen Ländern ist auch eine andere."


Flüchtlinge vor dem "Lageso" in Berlin / © Michael Kappeler (dpa)
Flüchtlinge vor dem "Lageso" in Berlin / © Michael Kappeler ( dpa )
Quelle:
KNA , epd