Neuartiges Online-Projekt über Trisomie 21

"Mein Leben ist anders als eures"

Das Projekt "Touchdown 21" will nicht nur über Menschen mit Down-Syndrom informieren, sondern das auch mit ihnen gemeinsam tun. Eine der Fachfrauen des Portals ist die Betroffene Julia Bertmann.

Autor/in:
Ebba Hagenberg-Miliu
Redaktionsbesprechung bei "Touchdown 21" mit Anne Leichtfuss, Julia Bertmann und Katja de Braganca (v.li.). / © Roland Kohls (epd)
Redaktionsbesprechung bei "Touchdown 21" mit Anne Leichtfuss, Julia Bertmann und Katja de Braganca (v.li.). / © Roland Kohls ( epd )

Redaktionssitzung in Bonn: Es trifft sich der Beirat für das neue Online-Forschungsprojekt "Touchdown 21" - ein Portal zum Thema Trisomie 21, das Menschen mit und ohne Behinderung gemeinsam betreiben. Mittendrin sitzt Julia Bertmann. Die 34-Jährige wurde mit der Genvariante Trisomie 21 geboren, dem Down-Syndrom. Und ist damit Expertin, wenn die Forschung Bodenhaftung aufnehmen will: "Touchdown" heißt Aufsetzen, Wissenschaft soll für jeden greifbar und verständlich werden. "Mein Leben ist anders als eures, ich sehe die Welt aus den Augen meiner Behinderung", sagt Bertmann.

Anderssein erforschen

Bei Touchdown mache sie mit, weil sie selbst ihr Anderssein erforschen wolle, erklärt sie - und weil das Projekt endlich mal auf Menschen wie sie blicke. "Wir sammeln alle verfügbaren Informationen zu Trisomie 21 und präsentieren die Ergebnisse im Netz", erläutert die Human-Genetikerin Katja de Bragança, verantwortlich für das Touchdown-Portal.

In Bonn beugen sich die Mitglieder des Beirats jetzt über den Computer. Julia Bertmann nickt. Sie ist mit den Formulierungen zum Schwangerschaftsabbruch einverstanden. Ein heißes Thema hier am Redaktionstisch. De Bragança erklärt, dass es Eltern gebe, die sich nach der Schwangerschaftsdiagnose Trisomie 21 entschlössen, ihr Kind abzutreiben. Auch das müsse auf der Projekthomepage vorkommen. "Was meinst Du dazu, Julia?" Bertmann schaut kurz nieder und sagt dann: "Vielleicht kennen diese Eltern sich nicht aus, dass ich leben kann wie ihr." Diese Eltern müssten sich mal auf der Homepage informieren, sagt sie.

Sie ist, das spürt man, in einer liebenden Familie aufgewachsen. Eltern und Schwester in Mülheim an der Ruhr nähmen sie so, wie sie sei, hätten zudem dafür gekämpft, dass sie in einen integrativen Kindergarten und in eine Regelgrundschule gehen konnte. "Da war ich das erste Exemplar meiner Art." Bertmann lacht. "Ich bin doch ein Teil dieser Gesellschaft", kommt dann messerscharf.

Leider habe sie das Schulamt später in eine Förderschule "abgeschoben", wie sie es nennt. "Das fand ich blöd. Ich wollte doch weiter mit meinen Freunden zusammen sein." Julia Bertmann fand sich aber schon bald als Schülersprecherin wieder. Sie grinst. "Ich bin ein Mensch, der alles schafft", sagt sie dann im Brustton der Überzeugung. Sie schicke Emails, SMS, genauso wie andere.

Erwachsenenleben mit Down-Syndrom schwieriger als im Kindesalter

Ihr habe es auch nichts ausgemacht, wenn Leute sie anfangs angestarrt hätten. Aber dann sollte es auch genug damit sein. "Nur Ablehnung, das ist schwer auszuhalten." Das Leben als Erwachsene mit Down-Syndrom sei nicht mehr so einfach wie das im Kindergarten.

Bertmann wird nachdenklich. An ihrer jetzigen Arbeitsstelle halte sie den Druck schwer aus, etwa wenn andere sie herumkommandierten, wenn sie keine Pausen einlegen dürfe. Darüber müsse sie mit den Kollegen reden.

Zu "Touchdown 21" gehören auch Heinz Schott, Professor für Geschichte der Medizin an der Universität Bonn, und eine Fachfrau für "leichte Sprache", Anne Leichtfuß. "Wir wollen alles erklären, was es zum Down-Syndrom überhaupt zu wissen gibt. Und wir erklären es so, dass es der Mensch mit Down-Syndrom genauso versteht wie der Wissenschaftler oder die Großmutter eines betroffenen Kindes", erläutert Leichtfuß.

Und Julia Bertmann ergänzt: "Meine Rolle ist, dass ich gucke, wie ihr arbeitet, und ich versuche, mich hineinzuversetzen, und dann gebe ich die Beurteilung ab." Fröhlich schallt ihr Lachen über den Tisch.

Homepage übersichtlich gestaltet

"Wir Menschen mit Down-Syndrom schreiben anders als ihr. Wir schreiben so, wie wir reden", sagt sie. Die Homepage arbeitet deshalb betont übersichtlich, mit vielen Bildern, mit kleinen, aber glasklar formulierten Textpaketen, damit sich jeder auf die Inhalte einlassen kann.

Bertmann ist bereits seit 2001 Autorin eines Magazins für und über Menschen mit Down-Syndrom namens "Ohrenkuss" in Bonn. Es geht auf eine Initiative von Katja de Bragança zurück: Vor 20 Jahren startete sie am Medizinhistorischen Institut der Universität Bonn ein Forschungsprojekt über Menschen mit Down-Syndrom, das in die Zeitschrift mündete.

"Hier bei euch in Bonn fühle ich mich erleichtert", erklärt Julia Bertmann, "ihr hört mir zu. Ihr habt Zeit". Und dann steigen sie im Projektteam wieder ein in die Diskussion, wie sie ihre Homepage www.touchdown.info mit wissenschaftlichen Hintergründen, Fakten und Erfahrungsberichten weiter ausbauen.

 

Quelle:
epd