Wie Pegida Sprache als Waffe einsetzt

Vorstufe zur Gewalt

Pegida will mit drastischen Begriffen bestimmte Gruppen wie etwa Flüchtlinge entmenschlichen. Die Sprache, die auf den Demos verwendet wird, kann eine Vorstufe zur Gewalt sein, sagt der Sprachwissenschaftler Michael Tewes im domradio.de-Gespräch.

Pegida-Demo in Dresden / © Bernd Settnik (dpa)
Pegida-Demo in Dresden / © Bernd Settnik ( dpa )

domradio.de: Sie haben sich mit der Rhetorik von Pegida auseinandergesetzt. Ein häufig genannter Begriff ist der der "Lügenpresse". Neu ist der aber nicht. Wie lange gibt es den Begriff schon?

Prof. Dr. Michael Tewes (Professor für Angewandte deutsche Sprachwissenschaft an der Hochschule Karlsruhe): Die "Lügenpresse" ist ein Begriff, der schon Anfang des letzten Jahrhunderts existierte. Eigentlich sagt er vor allem eines: Wir haben die Wahrheit, wir vertreten das Volk. Und: Die Presse und diejenigen, die die Macht in der Hand halten, verschleiern und betrügen das Volk um die Wahrheit.

domradio.de: Wenn man sich generell die Begriffe anschaut, die Pegida verwendet: Wie gefährlich ist so eine Sprache?

Tewes: Es gibt Stimmen, die sagen, dass es eine Sprache des Hasses und der Gewalt sei. Ich bin da etwas vorsichtiger. Ich würde sagen: Ja, es werden viel Unsicherheit und Wut deutlich. Diese Sprache kann eine Vorstufe sein. Sprache kann eine Wafffe sein, als Möglichkeit der Abgrenzung und Entwertung. Es kann die Vorstufe zu verbalen aber auch zu körperlichen Angriffen sein - bis hin zu brennenden Asylbewerberheimen oder wie im Fall von Frau Reker auch zum Versuch, andere Menschen umzubringen und mundtot zu machen.

domradio.de: Glauben Sie denn, dass diejenigen, die diese Sprache verwenden, sich dessen bewusst sind, dass die Sprache eine Vorstufe zu Gewalt sein kann?

Tewes: Ich glaube, dass diejenigen, die in politischer Verantwortung oder bei Pegida in Leitungsfunktionen sind, durchaus wissen, dass man durch das Einhämmern von Parolen und das Wiederholen von bestimmten Begriffen und Phrasen Menschen dazu bringen kann, an diese Phrasen zu glauben. Dann ist es möglich, dass es am Ende Formen der Aggressionen gibt und dass diese Aggressionen bis zu Gewalttaten reichen können.

domradio.de: Geht es Pegida um eine solche Gewalt?

Tewes: Eigentlich geht es Pegida einerseits um den Entwurf von "Wir sind die Guten und ihr seid die Bösen". Der zweite Punkt ist, dass es Pegida um Dehumanisierung geht. Wenn ich von Überfremdung rede, dann heißt das, dass nur das, was ich mache, gut und menschlich ist. Überfluten und überfremden sind Begriffe, bei denen es unangenehm wird. Niemand möchte ertrinken. Man kennt ganz ähnliche Ausdrücke wie "das Boot ist voll". Außerdem werden häufig Tier-Metaphern verwendet. "Ungeziefer" habe ich schon gehört. Ungeziefer möchte niemand in der Wohnung haben. Aber Pegida überträgt diese Begrifflichkeit auf Menschen. Das senkt natürlich auch massiv die Bereitschaft, darüber nachzudenken, über wen ich rede. Wenn ich über Ungeziefer rede, dann wird es sehr mechanisch. Und genau darum geht es: Dehumanisierung, also Entmenschlichung.

Das Gespräch führte Verena Tröster.


Quelle:
DR