Stadtdechant Kleine fordert für kommende Wahlen mehr Beteiligung

"Demokratie ist nicht selbstverständlich"

Trotz des Attentats auf Henriette Reker beteiligten sich an der Oberbürgermeister-Wahl weniger als die Hälfte der Kölner. Demokratie sei keine Selbstverständlichkeit. Das solle man ausdrücken, indem man wählen geht, so Stadtdechant Robert Kleine.

Klare Worte auf einem Wahlplakat / © Oliver Berg (dpa)
Klare Worte auf einem Wahlplakat / © Oliver Berg ( dpa )

domradio.de: Das Attentat auf Henriette Reker hat sich in Braunsfeld ereignet. Dort hatte es Wirbel um ein ehemaliges Hotel gegeben, das als Flüchtlingsunterkunft angemietet worden war. Verantwortlich für die Flüchtlingsunterkünfte ist die Sozialdezernentin Reker. War für Sie nach dem Attentat sofort klar, dass es sich um einen fremdenfeindlichen Hintergrund handelt?

Monsignore Robert Kleine (Stadtdechant in Köln): Das war mir nicht klar. Ich war zuerst fassungslos, als ich das am Samstagmorgen um 10 Uhr hörte. Ich konnte dann auch mit einem Augenzeugen sprechen. Da war die Rede davon, dass der Attentäter etwas verwirrt wirkte. Aber ich dachte mir, dass es egal ist, ob er ein politisches Ziel oder persönlich etwas gegen Frau Reker hat oder unter Drogen steht oder krankheitsbedingt verwirrt ist. Das Attentat ist schlimm genug. Dass es nun noch einen fremdenfeindlichen Hintergrund hat, macht die Sache natürlich noch schlimmer.

domradio.de: Beim Thema Flüchtlinge sehen wir zwei Lager. Die, die offen Hilfe leisten, auf der einen und die Flüchtlingsskeptiker auf der anderen Seite. Welche Stimmung nehmen Sie bei den Katholiken in Köln wahr?   

Msgr. Kleine: Zum einen das große ehrenamtliche Engagement in vielen Seelsorgebereichen und das Bemühen, sich derer anzunhemen, die unsere Hilfe brauchen. Ich sage auch immer wieder: Stellen wir uns vor, wir lebten mit unserer Familie in Syrien oder im Irak und würden mit dem Tod bedroht. Dann würden wir doch auch schauen, dass wir da wegkommen. Und wir müssen die Flüchtlingszahlen auch im Vergleich zur Bevölkerung in unserem Land sehen.  

Aber neben dem ehrenamtlichen Engagement gibt es sicherlich auch Sorgen, wie sich das Ganze entwickeln wird. Diese Sorgen muss man in der Politik ernst nehmen. Ich nehme sie auch ernst. Man muss sich sachlich auseinandersetzen. Aber gar nicht akzeptabel sind natürlich die Galgen auf Pegida-Demonstrationen oder eben dass die Kritik in Gewalt umschlägt, wie am Samstag. 

Ich denke, es besteht die Gefahr, dass die Stimmung kippt. Es gab ja nach dem Attentat im Netz auch Häme gegen Frau Reker. Ich denke, das ist das Problem unserer Zeit. Im Netz kann man sich - anonym - alles leisten. Da müsste man schauen, wie man dem irgendwie Einhalt gebieten kann. 

domradio.de: Sie sind als Stadtdechant auch Vorsitzender des Caritas-Rates in Köln, tragen also die Sorge für die soziale Präsenz der Kirche in der Stadt. Was erwarten Sie auf dieser Ebene von Frau Reker, sobald sie genesen ist und dann hoffentlich in die Politik eingreifen kann?

Msgr. Kleine: Ich freue mich über die Wahl von Frau Reker. Erstens darüber, dass es keine Stichwahl gibt. Das wäre für die Wahlbeteiligung noch schlimmer gewesen. Jetzt ist Frau Reker eindeutig gewählt worden. Natürlich wünsche ich ihr auch zunächst einmal, dass sie gesund wird und dann mit voller Tatkraft das Amt antreten kann.   

Durch ihre Profession als Sozialdezernentin kennt sie sehr viel. Sie kennt auch die sozialen Probleme und hat sie in der Vergangenheit angepackt. Ich finde es gut und richtig, dass wir gerade in dieser Zeit jemanden haben, der nicht aus der Parteipolitik kommt, sondern mit seinem Fachwissen gerade im sozial- und gesellschaftspolitischen Umfeld Erfahrung hat. Ich glaube, das wird sie ganz oben auf ihre Agenda setzen.

domradio.de: Bei uns im domradio haben Sie im Vorfeld dazu aufgerufen, sich an der Wahl zu beteiligen. Sie haben es eine Christenpflicht genannt. Etwa 50 Prozent der Kölner sind Christen. Bei der Wahl gestern haben sich nur etwa 40 Prozent aller Kölner beteiligt - eine historisch niedrige Wahlbeteiligung. Was geben Sie den Ferngebliebenen mit auf den Weg?  

Msgr. Kleine: Sie sollten noch einmal in sich gehen, wenn die nächsten Wahlen anstehen. Demokratie ist ein hohes Gut. Es gibt viele Länder, in denen die Menschen für Demokratie kämpfen und dafür teilweise im Gefängnis landen. Demokratie ist nicht selbstverständlich. Das sollte man auch ausdrücken, indem man wählen geht. Es ist im Wahlangebot sicherlich das ganze Spektrum abgebildet. Ich bin ganz froh, dass die demokratischen Parteien soviel Zustimmung bekommen haben. Dass die AfD unter 5 Prozent geblieben ist und der Anteil für den Kandidaten der Republikaner verschwindend gering ist. Man kann wählen und man kann ein gutes Zeichen geben. Das erwarte ich für die nächsten Wahlen - egal ob auf Stadt- oder auf Bundesebene.

Das Gespräch führte Tobias Fricke.


Quelle:
DR