Kabinett beschließt bessere Pflege für Demenzkranke

Fortschritte beim Kümmern

Das Kabinett hat am Mittwoch eine Reform der Pflegeversicherung beschlossen. 20 Jahre nach Einführung der Versicherung sollen Menschen mit Demenz und psychischen Störungen eine bessere Pflege erhalten. Einige Verbände finden die Reform unausgereift.

Pflegerin und Bewohnerin eines Seniorenheims in Hamburg am 12.02.15  (dpa)
Pflegerin und Bewohnerin eines Seniorenheims in Hamburg am 12.02.15 / ( dpa )

Demenzkranke und Patienten mit psychischen Störungen haben künftig Anspruch auf die gleichen Leistungen wie Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen. Die bislang drei Pflegestufen werden durch fünf Pflegegrade ersetzt. Für die rund 2,7 Millionen Menschen, die schon jetzt Pflegeleistungen erhalten, soll es umfassenden Bestandsschutz geben.

Verbesserungen soll es auch für Angehörige geben. Wer für die Pflege aus dem Beruf aussteigt, erhält künftig von den Pflegekassen dauerhaft Beiträge zur Arbeitslosenversicherung. Bislang werden Beiträge nur während der maximal sechsmonatigen gesetzlichen Pflegezeit übernommen. Auch werden betreuenden Angehörigen in Zukunft höhere Ansprüche an die gesetzliche Rentenkasse gutgeschrieben.

Zur Finanzierung der Reform wird der Beitragssatz 2017 erneut erhöht: nach 0,3 Prozentpunkten in diesem Jahr um weitere 0,2 Punkte auf 2,55 Prozent. Das Gesetz soll zum 1. Januar 2016 in Kraft treten. Die Umstellung wird aber noch etliche Zeit in Anspruch nehmen, so dass der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff und das Begutachtungsverfahren tatsächlich erst zwölf Monate später wirksam werden.

Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte sollen sich bessern

Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) erklärte am Mittwoch, die Reform werde für viele Menschen Verbesserungen bringen. "Mittelfristig könnten dadurch bis zu 500.000 Menschen zusätzlich Unterstützung erhalten", sagte er der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post".

Zudem griffen erste Leistungen künftig bereits zu Beginn der Pflegebedürftigkeit, so Gröhe gegenüber dem Sender ntv. Anfangs würden viele Dinge zu Hause geleistet, etwa der Umbau der eigenen Wohnung und die Beratung von Angehörigen. Auch die Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte sollten attraktiver werden.

Der CDU-Politiker sagte weiter, bei der Systemstellung zu Jahresbeginn 2017 müssten die Pflegebedürftigen selbst zunächst gar nichts tun, denn die Überleitung in das neue System erfolge automatisch. "Dabei stellen wir sicher, dass alle Pflegebedürftigen weiterhin mindestens die gleichen Leistungen erhalten wie bisher, die allermeisten erhalten sogar deutlich mehr." Niemand müsse also befürchten, durch die Umstellung schlechter gestellt zu werden. Eine Neubegutachtung werde immer dann Sinn machen, wenn sich der Zustand dauerhaft verschlechtert habe.

Zustimmung - aber auch einige Kritik

Der Gesetzentwurf traf auf viel Zustimmung. Die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Hilde Mattheis, erklärte, die Reform schaffe mehr Lebensqualität für Pflegebedürftige und Angehörige.

Die Arbeiterwohlfahrt erklärte, die Politik schlage "den richtigen Weg ein, doch einige Punkte bleiben unausgereift". Vorstandsmitglied Brigitte Döcker begrüßte die Verbesserungen für Demenzkranke, kritisierte allerdings, dass die Leistungen der Versicherung nicht parallel zu Inflation und Lohnentwicklung erhöht würden. Notwendig sei ein dauerhafter Mechanismus.

Auch der Deutsche Pflegerat und der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) begrüßten die Reform, verwiesen aber darauf, dass damit keine Antwort auf den Fachkräftemangel in der Pflege gegeben werde. Wenn sich die Regierung nicht ganz schnell um Nachwuchs bemühe, werde die Pflegereform "in ihren Ansätzen steckenbleiben", sagte Pflegerats-Präsident Andreas Westerfellhaus im Deutschlandfunk. Bpa-Präsident Bernd Meurer kritisierte, dass die Pflegesätze für das Jahr 2016 eingefroren würden. "Die Pflegeeinrichtungen dürfen weder über steigende Betriebskosten noch über beabsichtigte Gehaltssteigerungen für die Beschäftigten mit den Pflegekassen verhandeln. Eine Ohrfeige für die Träger und Beschäftigten."

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz glaubt, dass die Pflege auch mit dieser Reform noch nicht zukunftssicher ist. "Gesundheitsminister Gröhe löst die Hypotheken auf, die ihm seine Vorgänger hinterlassen haben", sagte Vorstand Eugen Brysch der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). "Doch zukunftssicher und generationengerecht wird das Pflegesystem dadurch nicht." Den Beitragszahlern von heute drohten weiterhin Leistungskürzungen im Alter. "Schließlich steigt immer mehr die Gefahr, dass Pflege arm macht."

KAB: Beitragszahlung für Pflegende "unklar und ungerecht"

Die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) hat Aspekte der geplanten grundlegenden Reform der Pflegeversicherung begrüßt - spart aber auch nicht mit Kritik. "Das zweite Pflegestärkungsgesetz weist in die richtige Richtung", erklärte KAB-Pflegeexpertin Maria Sinz am Dienstag in Köln. Allerdings sei etwa die Beitragszahlung für Pflegende in die Rentenversicherung "unklar und ungerecht", monierte KAB-Sozialexpertin Lucia Schneiders-Adams.

Um die Pflegefinanzierung "nachhaltig auf solide Füße zu stellen", müssten beispielsweise auch Kapitaleinkünfte - mit angemessenen Freibeträgen - unter beitragspflichtige Einnahmen einbezogen werden. "Pflege ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und muss von allen Bürgern solidarisch getragen werden."

 


Quelle:
KNA