Papst berät mit Bürgermeistern über Klimawandel und moderne Sklaverei

"Schöpfung muss bewahrt bleiben"

Rund 60 Bürgermeister aus den Metropolen dieser Welt haben im Vatikan über Strategien zum Klimawandel und moderner Sklaverei beraten. Als deutscher Vertreter war Christian Gaebler bei der Tagung dabei.

Franziskus über Klimawandel und Sklaverei (KNA)
Franziskus über Klimawandel und Sklaverei / ( KNA )

domradio.de: In seiner Umweltenzyklika "Laudato si" hatte der Papst im Juni betont, ein wirksames Vorgehen gegen den Klimawandel sei nur möglich, wenn zugleich Armut und Ausbeutung bekämpft würden. Was bedeutet das auf kommunaler Ebene?

Christian Gaebler (Staatssekretär für Verkehr und Umwelt): Wir müssen erstmal einsehen, dass weltweit natürlich die Klimawandelauswirkungen insbesondere die Ärmeren treffen. Ob jetzt Erdrutsche oder Trockenheit, es sind vor allem die Armen, die sich dagegen weniger zu Wehr setzen können und die dann auch mehr darunter leiden. Insofern haben der Klimawandel und die Umweltverschlechterung auch ganz klare Auswirkungen sozialer Art. Das hat der Papst in seiner Enzyklika angesprochen. Da geht es auch darum, was die Städte dagegen machen können. Über 60 Prozent der Bevölkerung wohnen in Städten. Deshalb kommt auch den Städten und ihren Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern eine ganz besondere Verantwortung zu, hier auch tatsächliche Aktionen anzustoßen und voranzugehen.

domradio.de: Seit Jahrzehnten treffen sich die Regierungschefs auf Klimakonferenzen. So richtig weiter kommt man da nicht im Klimaschutz. Wie sieht das denn auf kommunaler Ebene aus? Da kann man ja viel konkreter etwas umsetzen. Welche Ideen gibt es da?

Christian Gaebler: Auch auf dieser Ebene muss man konkreter werden. Und genau da liegt das Problem. Natürlich stoßen nicht alle Maßnahmen bei der Bevölkerung auf Begeisterung. Es ist wichtig, ins Gespräch zu kommen, die Ansätze klar zu machen und auch die Auswirkungen. Es muss gesagt werden, warum jetzt gehandelt werden muss, damit die Umwelt- und Klimasituation sich nicht weiter verschlechtert. Da sind die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister in der Verantwortung und die müssen aber auch Druck auf ihre nationalen Regierungen ausüben. Denn sie sollen im Dezember in Paris die verbindlichen Vereinbarungen treffen.

domradio.de: Sie selbst haben auch einen Vortrag gehalten. Was haben Sie denn in die Tagung mit eingebracht?

Christian Gaebler: Wir haben in drei Schritten gearbeitet und zuerst eine Machbarkeitsstudie erstellt. Es gibt viele Leute, die sagen, dass es nichts bringt, etwas zu machen und dass es sie nicht kümmert, was in 30 Jahren ist. Die Maßnahmen würden dann eh nicht greifen. Wir haben gesagt, wir wollen im Jahr 2050 Berlin klimaneutral machen. Was heißt das konkret? Ist das überhaupt erreichbar und welche Maßnahmen sind damit verbunden? Es ist aufgezeigt worden, dass wir, gegenüber den Zahlen von 1990, eine 85-prozentige CO2-Reduktion erreichen können. Vorausgesetzt wir gehen die Maßnahmen jetzt und auch zügig an. Und es ist aufgezeigt worden, dass das auch finanzierbar ist, weil wir 30 Jahre Zeit haben, dies Schritt für Schritt umzusetzen. Das wird begleitet durch eine gesetzliche Regelung, die auch die Klimaschutzziele festschreibt. Als Drittes folgt dann ein konkreter Aktionsplan, der mit der Bevölkerung auch breit diskutiert wird und zu dem ein Partizipationsprozess läuft. Und bis Ende des Jahres wollen wir dann den Maßnahmenplan für die ersten fünf bis zehn Jahre fertig haben, so dass der dann auch von der Stadtregierung beschlossen werden kann. Und das haben wir vorgezeigt, weil wir das für ein sehr gutes und auch nachvollziehbares Vorgehen halten.

domradio.de: Wenn Sie nun die anderen Metropolen dieser Welt sehen, die da auch bei dieser Konferenz vertreten sind. Inwiefern ähneln sich denn die Probleme und inwiefern gibt es da auch totale Unterschiede?

Christian Gaebler: Also, grundsätzlich kann man sagen, dass, um gleiche und gute Lebensbedingungen sicher zu stellen, die Infrastruktur intakt sein muss. Das fängt bei der Wasserversorgung an, der Abfallbehandlung oder den öffentlichen Verkehrsmitteln, die es ja in vielen Städten weltweit gar nicht so gibt. Die werden jetzt an vielen Stellen auch eingeführt, weil es wichtig ist, dass die Bevölkerung sich bewegen kann. Dass auch jeder Chancen hat, seiner Arbeit nachzugehen. Und es ist wichtig, mehr Sicherheit zu bieten. Das sind Dinge, die sind bei allen ungefähr gleich. Da gibt es noch sehr viele Austauschmöglichkeiten und da kann man noch sehr viel voneinander lernen. Und versuchen, nicht die Fehler der anderen zu machen, sondern gleich an einer anderen Stelle anzusetzen. Es gibt aber natürlich auch Unterschiede, was Bildungsmöglichkeiten oder Migration angeht. Migration ist in vielen Ländern viel ausgeprägter als jetzt hier bei uns in Deutschland. Was bei uns an "Flüchtlingswellen" ankommt, ist im Vergleich zu dem, was sich in anderen Ländern abspielt, noch harmlos. Da geht es um ganz andere Zahlen, die auch verkraftet werden müssen.

domradio.de: Papst Franziskus hat sich schon bei der Tagung geäußert. Was hat er denn gesagt und wie kam das denn bei den Teilnehmern an?

Christian Gaebler: Der Papst hat sich ganz klar in die Nachfolge von Franz von Assisi gestellt, so wie schon mit der Wahl seines Namens. Franz von Assisi hatte eine besondere Beziehung zur Schöpfung gepflegt. Was auch in seiner Schriften deutlich wird. Und die Bewahrung der Schöpfung liegt auch Papst Franziskus besonders am Herzen. Und das ist, glaub ich, etwas, was tatsächlich allen am Herzen liegt. Egal, ob sie gläubige Christen sind oder einer anderen Religionsgemeinschaft angehören oder an nichts glauben. Und das ist natürlich wichtig, dass das Oberhaupt der katholischen Kirche als erster Papst eine Enzyklika zu Umweltthemen konkret macht und diese auch mit sozialen Themen verbindet. Ebenso wichtig ist es, dass es keine soziale Gerechtigkeit ohne Umweltgerechtigkeit geben kann. Und dass viele Dinge, wie z.B. Menschenhandel, Zwangsprostitution, Zwangsabhängigkeit auch mit Umweltfragen zusammenhängen. Hier müssen Lebensgrundlagen geschaffen werden, sowohl von der Umwelt, als auch von den sozialen Verhältnissen her. Das wurde in der Tagung gut aufgenommen. Es waren auch sehr viele Bürgermeister und Gouverneure aus den USA da. Die sind wichtig, um Druck auszuüben. Im Dezember in Paris kommt es darauf an, verbindliche Regelungen zu treffen. Der Papst hat auch gesagt, dass es höchste Zeit sei, es müsse jetzt tatsächlich etwas konkret passieren. Wenn die Städte, die schon aktiv sind, die Umweltverbände, die Städtenetzwerke, jetzt auch noch einen starken Partner mit der katholischen Kirche an ihrer Seite haben und andere Religions- und Glaubensgemeinschaften auch, dann, glaub ich, kann auch in Paris noch mehr herauskommen. Denn der Druck muss jetzt von unten kommen, damit oben Aktion erfolgt.

Das Interview führte Dr. Christian Schlegel.


Quelle:
DR