Pfarrer über Proteste für und gegen Flüchtlinge

"Der Riss geht durch die Kirchengemeinde"

Flüchtlingsbefürworter auf der einen, Ablehnung auf der anderen Seite - diese Spaltung sieht der Freitaler evangelisch-lutherische Pfarrer Markus Beulich überall in der Stadt. Der Riss gehe auch durch seine Gemeinde, sagt er im domradio.de-Gespräch.

Flüchtlingsbefürworter am 24.6.15 vor der Flüchtlingsunterkunft in Freital (epd)
Flüchtlingsbefürworter am 24.6.15 vor der Flüchtlingsunterkunft in Freital / ( epd )

domradio.de: Die Proteste gestern Abend sind parallel zur Ankunft von Flüchtlingen in Freital gelaufen. Die Ankömmlinge waren vor allem Frauen und Kinder. Wie haben Sie persönlich den Abend gestern erlebt?

Markus Beulich (Pfarrer der evangelisch-lutherischen Gemeinde in Freital): Ich persönlich habe den Abend beim Gottesdienst am Johannistag erlebt und war nicht vor Ort am Flüchtlingsheim. Ich habe mir aber von der aufgeheizten und auch menschenfeindlichen Stimmung berichten lassen.

domradio.de: Wie würden Sie die aktuelle Gemengelage beschreiben?   

Beulich: Sehr polarisiert. Es gibt Flüchtlingsbefürworter auf der einen und eine krasse Ablehnung auf der anderen Seite. Dazwischen ist relativ wenig wahrzunehmen. Es ist sehr polarisiert - teilweise ist das auch von außen hereingetragen worden. Es hat sich nämlich auf beiden Seiten eine Art Tourismus entwickelt.  

domradio.de: Das heißt, es kommen Menschen zu Ihnen nach Freital, um gegen Flüchtlinge mobil zu machen? 

Beulich: Richtig. Und auf der anderen Seite kommen auch Menschen nach Freital, die sich schützend vor die Flüchtlinge stellen. Am Anfang, als die Proteste gegen das Flüchtlingsheim anfingen, war das nach meiner Wahrnehmung noch anders. Da waren viele Freitaler unterwegs.

domradio.de: Wie bewerten Sie es, dass es einen Pro- und Contra-Flüchtlingstourismus bei Ihnen gibt?

Beulich: Das hängt sicher damit zusammen, dass das in Freital auf nahrhaftem Boden fällt. Hier sind Menschen, die ihre Ängste haben. Und diese Ängste werden von keiner Seite aufgenommen. Von Seiten der Stadtverwaltung werden die Ängste eher noch gestützt als dass ihnen entgegengewirkt wird. Und das sorgt natürlich dafür, dass die Proteste gefördert werden. 

domradio.de: Inwiefern sehen Sie die Politik in der Pflicht? 

Beulich: Die Politik sollte eine transparente Flüchtlingspolitik machen. So schwer das auch ist, da die Politik natürlich auch dauernd von neuen Entwicklungen und neuen Flüchtlingszahlen überrollt wird. Es kann nicht sein, dass letzten Freitag eine Bürgerversammlung mit dem Bundesinnenminister hier in Freital stattfindet, in der von der Errichtung eines Erstaufnahmelagers noch überhaupt nicht die Rede ist, und zwei Tage später kommen die ersten Flüchtlinge hierher. Dann ist für mich auch verständlich, dass sich Protest bildet, wobei ich den Protest inhaltlich natürlich nur begrenzt nachvollziehen kann. Ich sehe zuerst die Menschen, die zu uns kommen. 

domradio.de: Das heißt, man müsste die Bürger auch besser vorbereiten? 

Beulich: Richtig. Das ist in der Vergangenheit unterblieben.   

domradio.de: Welchen Einfluss versuchen Sie vor diesem Hintergrund als Christen zu nehmen?

Beulich: Wir als Christen versuchen uns ganz praktisch einzubringen und ein Stück Willkommenskultur zu gestalten. Wir bringen uns als Kirche in das Freitaler Willkommensbündnis ein, indem wir die Arbeit bei Begegnungsnachmittagen und Sportangeboten unterstützen. Wir öffnen unsere Räume für die Arbeit des Willkommensbündnisses. Wir haben das Thema in Gottesdiensten aufgegriffen. Wir hatten viele Gespräche auch in der Kirchengemeinde. Der Riss, der durch die Stadt geht, geht ja auch durch die Kirchengemeinde und durch Familien. Der ist überall präsent.  

 

Das Gespräch führte Uta Vorbrodt.


Quelle:
DR