In Freital radikalisieren sich Anti-Asyl-Proteste

Weltanschauliche Leere in Sachsen

Seit Wochen gibt es Widerstand gegen eine Asylunterkunft in Freital bei Dresden. Doch jetzt radikalisieren sich die Proteste, Beobachter befürchten eine Eskalation. Pegida-Gründer Bachmann schürrt die Hetzstimmung. Die Behörden scheinen überfordert.

Hotel als Flüchtlingsunterkunft in Freital am 23.6.15 (dpa)
Hotel als Flüchtlingsunterkunft in Freital am 23.6.15 / ( dpa )

Bereits den zweiten Abend in Folge ist es vor der Asylbewerberunterkunft im sächsischen Freital zu lautstarken Protesten gekommen. Doch während am Montag rund 200 demonstrierende Asylgegner Böller abfeuerten, zeigten am Dienstag etwa 200 Gegendemonstranten solidarisch Flagge für Flüchtlinge und gegen Rassismus. Die Polizei, die beide Gruppen trennen musste, zählte nur noch rund 80 Asylgegner.

Der Direktor der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung, Frank Richter, der selbst in Freital wohnt, sieht die Entwicklung der Anti-Asyl-Proteste weiter mit großer Sorge. "Es ist ganz klar eine Radikalisierung des Phänomens zu beobachten", betont Richter. Die Proteste unmittelbar vor der Unterkunft, in der aktuell etwa 100 Asylsuchende leben, seien für die Betroffenen beängstigend und «moralisch zu verurteilen». Zugleich warnt er vor vorschnellen Vergleichen mit den rassistischen Übergriffen in Hoyerswerda von 1991.

Aufruf zur Hetze

Vor allem im Internet wurde in den vergangenen Tagen teils offen zu Hetze und Gewalt gegen die Asylbewerber aufgerufen. Pegida-Gründer Lutz Bachmann, der ebenfalls in Freital wohnt und dort als Galionsfigur gilt, heizte die Stimmung auf Facebook weiter an und bezeichnete die Gegendemonstranten als "SAntifa-Einsatzstaffel".

In der 40.000-Einwohner-Kreisstadt bei Dresden ist der Asylprotest gut organisiert. Die Bürgerinitiative "Freital wehrt sich. Nein zum Hotelheim" veranstaltete bereits seit Anfang März jeden Freitag Demonstrationen mit bis zu 300 Teilnehmern gegen die Asylunterkunft des Landkreises Sächsische Schweiz. Als dann am Montag die Landesdirektion Sachsen überraschend mitteilte, dass in dem ehemaligen Hotel bis zu 280 weitere Asylbewerber untergebracht werden sollen, zogen die Gegner, die sich bisher immer in der Innenstadt versammelt hatten, direkt zur Unterkunft am Stadtrand.

Scharfe Rüge vom Bischof

Scharf rügt auch der künftige Berliner Erzbischof Heiner Koch, der scheidende Bischof des Bistums Dresden-Meißen, die ausländerfeindlichen Proteste: "Ich habe kein Verständnis dafür, wenn verängstigen Flüchtlingen Aggression entgegenschlägt." Er ruft die Asylkritiker auf, mit ihren Bedenken zu den Politikern zu gehen, aber nicht vor ein Asylheim. "Man sollte sich vor Augen halten, wie verletzend es für diese teils traumatisierten Menschen in Not ist, wenn sie mit solch einem Hass konfrontiert werden."

Die Politik indes ging das Problem lange wenig offensiv an. So gab es offenbar nur zu Beginn der Proteste vor drei Monaten eine Bürgerversammlung. Am Freitag kam dann Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) auf Einladung des örtlichen Parteiverbands nach Freital und warb für eine Willkommenskultur. Etwa 180 Menschen nahmen an der Veranstaltung teil.

Überforderte Behörden

Die Behörden scheinen unterdessen überfordert mit der kontinuierlich steigenden Zahl von ankommenden Asylbewerbern und überfüllten Aufnahmeeinrichtungen. In der Erstaufnahmestelle in Chemnitz etwa waren zuletzt Neuankömmlinge in Zelten untergebracht, was scharfe Kritik ausgelöst hatte. Die Landesdirektion Sachsen teilt Medienberichten zufolge den Kommunen zudem oftmals erst sehr kurzfristig mit, dass neue Asylbewerber kommen. Freitals noch amtierender Oberbürgermeister Klaus Mättig (CDU) beklagt empört in der Presse, am Montag sei er von der Landesdirektion vor vollendete Tatsachen gestellt worden. Richter wirbt hingegen um Verständnis für die Schwierigkeiten bei der Organisation. 

Um einer Eskalation der aufgeheizten Stimmung in Freital entgegenzusteuern, lädt Oberbürgermeister Mättig nun für übernächsten Montag, dem 6. Juli, zu einer Bürgerversammlung. Ob sich die Lage bis dahin weiter zuspitzt, ist ungewiss. Der Leiter des Göttinger Instituts für Demokratieforschung, Franz Walter, sieht eher schwarz. Freitals Asylkritik sei "Ausfluss und Ausdruck politischer Obdachlosigkeit, kultureller Traditionsschwächen, weltanschaulicher Leere und zivilgesellschaftlicher Bindungsschwächen."


Quelle:
KNA