Unicef: Mehr Einsatz im Kampf gegen Kinderarmut

Zeit zu hinterfragen

In den vergangenen 25 Jahren wurde die Kindersterblichkeit laut einer Unicef-Studie mehr als halbiert. Gleichzeitig entscheide unser Lebensstil über Lebenschancen weltweit. Rudi Tarneden (Unicef) zu nachhaltigen Entwicklungszielen.

Kinder in Syrien (dpa)
Kinder in Syrien / ( dpa )

domradio.de: Bevor wir auf das Aber zu sprechen kommen: Woran liegt es, dass es den Kindern weltweit insgesamt besser geht?

Rudi Tarneden (Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen UNICEF): Die Milleniumsziele, die 2000 verabschiedet worden sind, haben einen wichtigen Rahmen für die internationale Entwicklungspolitik abgegeben. Tatsächlich haben sie es möglich gemacht, dass Regierungen, aber auch die Entwicklungshilfe erhebliche Anstrengungen unternommen hat, um Armut und Unterentwicklung speziell bei Kindern zu reduzieren. Es hat tatsächlich hierdurch große Fortschritte gegeben, Überlebenschancen sind heute besser für Kinder, aber gleichzeitig ist es so, dass es nach wie vor entscheidend für ein Kind ist, wo es auf die Welt kommt. Die Kinder haben weiter sehr ungleiche Startchancen und das heißt, man muss heute jenseits der Durchschnittswerte genauer hinschauen, um herauszufinden, wie es den Kindern wirklich geht.

domradio.de: Genau, kommen wir zum Aber. Sie kritisieren die ungleichen Startchancen für Millionen von Kindern - denn die lassen viele in Armut leben beziehungsweise viele sterben an vermeidbaren Krankheiten. Doch gleiche Chancen für alle Kinder weltweit - das ist doch eine unerfüllbare Mammutaufgabe?

Tarneden: Gleiche Chancen sind ein Recht für Kinder. Natürlich wird man nicht alle Lebensverhältnisse gleich anpassen können. Die Frage ist ja auch, ob wirklich unser Lebensstil hier mit Konsum und die Art und Weise, wie wir die Natur ausbeuten, wirklich auf andere Teile der Welt übertragbar ist, aber jedes Kind sollte die Möglichkeit haben, seine Fähigkeiten zu entfalten. Es sollte einigermaßen gesund aufwachsen, es sollte ausreichend ernährt sein. Diese Möglichkeiten sind erreichbar und machbar. Dafür muss aber die internationale Entwicklungspolitik und dafür müssen auch die Regierungen selber mehr für die Ärmsten der Armen zu tun.

domradio.de: Wie kann konkrete Hilfe speziell für benachteiligte Familien aussehen?

Tarneden: Das könnte zum Beispiel darin bestehen, dass die Länder sich viel viel genauer angucken, wo ist es denn am schwierigsten? Beispielsweise ist es so, dass die Kindersterblichkeit in ländlichen Regionen der Entwicklungsländer oft besonders hoch ist. Dass auch dort besonders viele Mädchen nicht in die Schule gehen oder dass die Wasserversorgung besonders unzureichend ist. Man müsste dafür sorgen, dass gerade in diesen Bereichen mehr investiert wird und auch langfristig investiert wird. Der Unicef-Report kommt zu dem Ergebnis, dass im Grunde genommen, wenn man da die Mittel und auch die personellen Ressourcen hineingibt, der Entwicklungsfortschritt für die Kinder, aber auch für die ganzen Gesellschaften am größten ist.

domradio.de: Die sogenannten acht Millenniums-Entwicklungsziele wurden im Jahr 2000 von der UN beschlossen und sollen dazu führen, dass zum Beispiel bis 2015 der Anteil der Menschen in absoluter Armut halbiert wird. Jetzt soll es bald neue Ziele geben, die heißen dann nachhaltige Entwicklungsziele. Wie sehen die für die Kinder aus?

Tarneden: Die nachhaltigen Entwicklungsziele werden zurzeit diskutiert, das ist ein sehr ehrgeiziges Unterfangen, das international seit vielen Jahren bearbeitet wird. Das Entscheidende daran wird sein, dass es nicht mehr nur Ziele für Entwicklungsländer sind, sondern für alle Staaten. Einer der entscheidenden Punkte dabei ist, die Frage von Nachhaltigkeit und die Frage von Gerechtigkeit. Nachhaltigkeit damit ist gemeint, sind die von uns entwickelten Lösungen für Menschen an Perspektiven auch wirklich geeignet, wirtschaftlich vernünftig, aber auch ökologisch und sozial tragfähig? Das Entscheidende ist aus unserer Perspektive, dass mehr für die ärmsten Kinder getan werden muss. Genau so wie es zum Beispiel die päpstliche Enzyklika gesagt hat, dass unser Lebensstil hinterfragt wird und dass sich alle Länder darüber Gedanken machen müssen, wie sie in Zukunft leben wollen.

Das Interview führte Mathias Peter


Quelle:
DR