Dechant von Haltern bereitet Beerdigungen der Opfer des Germanwings-Absturzes vor

"Ein Ort zum Abschied nehmen"

Knapp zwei Monate nach der Gemanwingskatastrophe sind die sterblichen Überreste aller Todesopfer identifiziert und zur Bestattung freigegeben. Auch in Haltern bereitet man sich auf die Beerdigungen vor, wie Dechant Martin Ahls im Interview erläuterte.

Trauer nach der Flugzeugkatastrophe (dpa)
Trauer nach der Flugzeugkatastrophe / ( dpa )

domradio: Wie wichtig ist es für die Hinterbliebenen, ihre Angehörigen endlich bestatten zu können?

Martin Ahls: Das ist im Rahmen eines Sterbefalles generell wichtig und nach so langer Zeit erst recht. Alle Familien, die Angehörigen und Freunde, die dahinter stecken, leben seit Wochen in einer Art Schwebezustand. Das ist ganz schwierig und wird durch die Beisetzung der sterblichen Überreste an einen Punkt gebracht, an dem zumindest ein Ort oder ein Grab da ist. Da kann man ein klares Verhältnis zu dem verstorbenen Kind, dessen völlig unerwarteter Tod ja in der Ferne geschah, bekommen.

domradio: Es gab bereits verschiedene Trauergottesdienste in Haltern und den zentralen Gedenkgottesdienst im Kölner Dom. Gibt es jetzt auch noch einmal eine gemeinsame Trauerfeier in Haltern oder wird das jeder für sich selber regeln?

Martin Ahls: Zunächst regelt das jetzt jede Familie für sich. Einige werden sich aber auch zusammenschließen. Jetzt gilt es individuell auf jede Familie, Gefühle und auch auf praktische Fragen einzugehen. So zum Beispiel, welche Mitschüler und Freunde gehören zu mehreren Familien und dann gilt es, so zu organisieren, dass es für möglichst alle passend wird. Bei allein 16 Familien hier in Haltern ist es natürlich schwierig, so zu koordinieren und zu terminieren, dass die Beisetzungen in einem gewissen zeitlichen Zusammenhang geschehen aber dennoch individuell bleiben. Es sind schließlich fünf der Dörfer bzw. Ortsteile um uns herum betroffen. Dadurch schon wird es technisch nicht ganz einfach.

domradio: Sie planen diese Beerdigungen mit. Gibt es schon Termine?

Martin Ahls: Nein. Termine gibt es noch nicht. Der genaue Termin für die Überführung der Verstorbenen steht meines Wissens noch nicht fest. Aber die individuellen Planungen haben bereits begonnen.

domradio: Es sind zwei Monate seit dem schrecklichen Unglück vergangen. Auch bei Ihnen wird so langsam wieder Normalität eingekehrt sein. Wie werden die Menschen mit der Situation fertig?

Martin Ahls: Normalität ist ein relativer Begriff. Für die Bevölkerung in der Stadt ist sicherlich ein ganzes Stück Normalität eingekehrt. Seitdem die Nachricht da ist, dass die Leichen identifiziert sind und zurückgeführt werden, ist über diese vermeintliche Normalität wieder ein neuer Schatten gefallen. Es ist wie ein "Aufgerüttelt-Sein",  ein Schnappen nach Luft. Die Normalität ist für die Familien der Verstorbenen und ihre Angehörigen überhaupt nicht eingekehrt. Es ist ein Leben des Unnormalen inmitten des Normalen. Und das über so einen langen Zeitraum ist überaus "brutal". 

domradio: Vielen Dank für das Gespräch

Das Interview führte Tobias Fricke


Quelle:
DR