Wohlfahrtsverband kritisiert Sozialpolitik der Bundesregierung

"Teure Wählerpolitik"

Alleinerziehende, Arbeitslose, arme Kinder und Alte fallen nach Einschätzung des Paritätischen Gesamtverbands immer öfter durch das soziale Netz. Die Regierung setze falsche Prioritäten, kritisiert der Sozialverband.

Der Mindestlohn gilt (dpa)
Der Mindestlohn gilt / ( dpa )

Trotz guter wirtschaftlicher Lage wird die Kluft zwischen armen und reichen Menschen in Deutschland offenbar immer tiefer. Die im vergangenen Jahr umgesetzten Gesetzesvorhaben der Bundesregierung seien nicht geeignet gewesen, einer sozialen Spaltung entgegenzuwirken, sagte der Vorsitzende des Paritätischen Gesamtverbands, Rolf Rosenbrock, am Dienstag bei der Vorstellung des Jahresgutachtens zur sozialen Lage. Maßnahmen wie die umstrittene Rentenreform hätten die Entwicklung sogar verschärft, sagte Rosenbrock. Er bezeichnete das Renten-Paket als "teure Wählerpolitik", die an den tatsächlichen Problemen vorbeigehe.

"Gute Arbeit wird immer seltener"

In dem Jahresgutachten wurden verschiedene deutsche Gesetzesvorhaben des vergangenen Jahres bewertet. Darunter sind die Pflegereform, der Mindestlohn, das Rentenpaket oder Veränderungen im Staatsangehörigkeitsrecht. Die Ergebnisse seien alarmierend, sagte Rosenbrock.

Es habe zwar noch nie so viele Erwerbstätige gegeben, aber zeitgleich sei die Zahl der Mini-Jobs und der befristeten Arbeitsverhältnisse gestiegen. "Gute Arbeit wird immer seltener", sagte Rosenbock. Zu den Verlierern zählte er vor allem Alleinerziehende, Langzeitarbeitslose, Kinder in einkommensschwachen Haushalten und arme ältere Menschen.

Der Verband forderte mehr Unterstützung für diese Gruppen von der Bundesregierung, höhere Hartz-IV-Sätze sowie eine Reform der Altersgrundsicherung. "Deutschland ist nicht nur ein Wirtschaftsstandort sondern auch ein Lebensstandort", unterstrich der Verbandsvorsitzende. Er sprach sich zudem für eine höhere Besteuerung sehr hoher Einkommen, Vermögen und Erbschaften aus.

Rosenbrock weist Kritik der Caritas zurück

Vorwürfe, der Verband sei alarmistisch, verunsichere die Menschen und deute die Statistiken in übertriebener Weise, wies Rosenbrock zurück. Der Generalsekretär des Deutschen Caritasverbandes, Georg Cremer, hatte dem Verband in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" zudem Irreführung und Fehler vorgeworfen.

Der Berliner Politikwissenschaftler Klaus Schroeder sagte der Deutschen Presse-Agentur in Berlin: "Was in solchen Berichten gemessen wird, ist die Verteilung von Einkommen, aber nicht Armut." Der Leiter der Arbeitsstelle Politik und Technik am Otto-Suhr-Institut sagte: "Verbände, die auf diese Weise vor Armut warnen, geht es auch darum, ihre eigene Bedeutung in den Vordergrund zu rücken."


Quelle:
epd , dpa