Fragen und Antworten zur Reform des kirchlichen Arbeitsrechts

Die Erwartungen, die Ungeduld und der Ärger sind groß

Immer häufiger stehen die Kirchen, die als Arbeitgeber deutschlandweit über 1,2 Millionen Menschen beschäftigen, vor Fragen zum kirchlichen Arbeitsrecht. Wir stellen die häufigsten Fragen und Antworten vor.

Arbeitszeugnis  (dpa)
Arbeitszeugnis / ( dpa )

Warum gibt es ein eigenes kirchliches Arbeitsrecht in Deutschland?

Die arbeitsrechtlichen Bedingungen für die über 1,2 Millionen Mitarbeiter der Kirchen und ihrer Wohlfahrtsverbände unterscheiden sich erheblich von den für andere Arbeitnehmer geltenden Bestimmungen. Grundlage dafür ist das Grundgesetz, das den Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften mit Blick auf die Religionsfreiheit ein weitgehendes Selbstverwaltungs- und Selbstbestimmungsrecht einräumt.

Was besagt das kirchliche Arbeitsrecht?

Von Kirchenmitarbeitern wird eine Übereinstimmung mit den kirchlichen Glaubens- und Moralvorstellungen auch im Privatleben erwartet. Ein Verstoß gegen diese Loyalitätspflichten - etwa Kirchenaustritt oder zweite Zivilehe nach Scheidung - zieht abgestufte arbeitsrechtliche Konsequenzen bis hin zur Kündigung nach sich. Außerdem gibt es für die Angestellten der Kirchen eigene Wege der Ausgestaltung des Arbeitsrechts. Die Arbeitsbedingungen und Tarife werden in arbeitsrechtlichen Kommissionen festgelegt, die paritätisch mit Vertretern der Arbeitgeber und Arbeitnehmer besetzt sind. Das Recht auf Streik ist ebenso ausgeschlossen wie eine Aussperrung. Gewerkschaften waren lange ausgeschlossen; inzwischen gibt es aber eine eng begrenzte Mitwirkung.

Was sagen die Gerichte zum eigenen kirchlichen Arbeitsrecht?

Mehrere hohe Gerichte, darunter der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, das Bundesverfassungsgericht und das Bundesarbeitsgericht, haben sich in den vergangenen Jahren mit arbeitsrechtlichen Konflikten im Raum der Kirchen befasst. Dabei ging es immer wieder um die Abwägung zwischen dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht als Ausfluss der korporativen Religionsfreiheit und den individuellen Menschenrechten der Beschäftigten auf Meinungs- und individuelle Glaubensfreiheit, das Recht auf Privat- und Familienleben oder Schutz vor Diskriminierung etwa aufgrund von sexueller Orientierung.

Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof forderte in mehreren Fällen eine Abwägung in jedem Einzelfall und je nach Nähe zum kirchlichen Verkündigungsauftrag. Er betonte stärker die individuellen Menschenrechte. Dagegen stärkte das Bundesverfassungsgericht eher das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen. In den Urteilen von 1985 und 2014 entschieden die Richter, es sei allein Sache der Kirchen, verbindlich zu bestimmen, was die Glaubwürdigkeit ihrer Verkündigung erfordere und welches die wesentlichen Grundsätze der Glaubens- und Sittenlehre seien. Die staatliche Neutralität verbiete es den Gerichten, eine eigene Bewertung religiöser Normen durchzuführen.

Warum steht das kirchliche Arbeitsrecht dennoch zunehmend in der Kritik?

Im März 2012 entzog die Stadt Königswinter bei Bonn bundesweit erstmals einer katholischen Pfarrgemeinde die Trägerschaft eines Kindergartens. Zuvor hatte die Kirchengemeinde der beliebten Kita-Leiterin gekündigt, weil sie nach der Trennung von ihrem Mann mit einem neuen Partner zusammenlebt. Das kirchliche Vorgehen wird von der Öffentlichkeit zunehmend als unbarmherzig erlebt und nicht mehr mitgetragen. Gerade im Osten Deutschlands und in manchen Großstädten wird es für die Kirchen zudem immer schwerer, Angestellte zu finden, die Kirchenmitglieder sind und den entsprechenden Loyalitätsanforderungen entsprechen.

Dazu kommt auch politischer Druck: Zwar stellte sich 2012 die Mehrheit des Bundestages hinter das kirchliche Arbeitsrecht und lehnte einen Antrag der Linksfraktion ab, der dieses Eigenrecht infrage stellte. Die Grünen enthielten sich der Stimme. Allerdings verlangten auch Politiker von Union, FDP und SPD von den Kirchen mehr Barmherzigkeit und eine konsequente Anwendung ihres Arbeitsrechts. Zugleich beklagten sie Missstände.

Wie reagiert die Kirche darauf?

Auch viele katholische Bischöfe drängen auf Veränderung. 2012 setzte die Bischofskonferenz eine Arbeitsgruppe ein, um das kirchliche Arbeitsrecht weiter zu entwickeln. "Die Erwartungen, die Ungeduld und der Ärger sind groß", so analysierte der Rottenburg-Stuttgarter Bischof Gebhard Fürst die Situation. Handlungsmöglichkeiten haben die Bischöfe durchaus. Denn anders als bei der Zulassung wiederverheiratet Geschiedener zu den Sakramenten geht es beim Arbeitsrecht nicht um weltkirchliche und dogmatische Fragen. Das kirchliche Arbeitsrecht in Deutschland ist weltweit einmalig.

 


Quelle:
KNA