Verlegung in die Adventszeit

NRW-Kirchen kritisieren WM in Katar

Die Kirchen in Nordrhein-Westfalen haben eine kritische Haltung zur Fußball-Weltmeisterschaft 2022 in Katar. Gründe sind vor allem Menschenrechtsprobleme und die Kommerzialisierung des Sports - aber auch die Verlegung in die Adventszeit.

 (DR)

Die Verlegung in den Winter wegen der großen Hitze in dem arabischen Wüstenstaat trifft bei einigen Kirchenvertretern auf Unverständnis, weil das sportliche Großereignis dann mitten in die Adventszeit fällt. Das ergab eine Umfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) unter Landeskirchen und Bistümern. Wann die WM stattfindet, entscheidet der Weltfußballverband Fifa vermutlich beim nächsten Treffen des Exekutivkomitees am 19. und 20. März in Zürich.

Der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Manfred Rekowski, rät im Blick auf die WM-Terminplanung zur Gelassenheit. "Wer alle Jahre wieder ein ab Anfang September beginnendes 'weihnachtliches' Treiben in den Supermärkten schadlos übersteht und dann an den Weihnachtstagen noch offen für das Original von Weihnachten ist, den werden auch Fußballspiele nicht von Advent und Weihnachten ablenken können", sagte er dem epd.

Inakzeptabel hingegen seien Arbeitsbedingungen beim Bau der Stadien, betonte der leitende Theologe der zweitgrößten deutschen Landeskirche. Er kritisierte auch die Vergabepraxis der Weltmeisterschaften, bei der es offenkundig ausschließlich um ökonomische Gesichtspunkte und fast nur noch am Rande um den Fußball gehe. Ähnlich äußerte sich der evangelische Olympiapfarrer Thomas Weber. Der verbreitete Eindruck, dass bei sportlichen Großereignissen das Geschäft im Vordergrund stehe, werde durch die Vergabe der Fußball-WM an Katar noch verstärkt.

Lippische Landeskirche: Advent ist Warten auf den Retter der Welt und nicht auf den Weltmeister

Für Tobias Treseler, Theologischer Kirchenrat der Lippischen Landeskirche, gehören ausgelassener Jubel und Tor-Geschrei zu jeder WM, aber nicht in den Advent. Christen bereiteten sich in der Adventszeit auf das Weihnachtsfest vor, auf die Ankunft des Retters der Welt - und nicht auf die Krönung des Fußballweltmeisters. Eine WM in der Adventszeit sei nicht nur eine Verletzung religiöser Gefühle. Damit werde zudem ignoriert, dass Fußball für Fairness und Respekt gegenüber Religion und Kultur auch über den Spielfeldrand hinaus stehe.

Der Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker sagte, er habe zwar bekanntermaßen Freude am Fußball. "Aber das 'heilige Spiel', die Schönheit der adventlichen Vorbereitungszeit in Brauchtum und Liturgie, steht für mich an erster Stelle", sagte Becker er. Es sei gut, dass die Kirche mit ihrer Botschaft quer zu Konsum und Kommerz stehe und andere Sinnbezüge herstelle.

Der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck räumte ein, dass "eine Fußballweltmeisterschaft in einem Wüstenstaat im Sommer nicht wirklich optimal" sei. "Andererseits müssen die Fußballer jetzt darauf achten, dass der Ball nicht in der Krippe landet", fügte er hinzu.

Keine Probleme mit einer WM-Verlegung in den Winter hat der Sportbeauftragte der westfälischen Kirche, Albrecht Thiel. Die Adventszeit sei ohnehin schon lange kaum noch eine stille Zeit, sagte er. Wenn schon nicht die Vergabe an Katar rückgängig gemacht werden könne, sei eine Verlegung geboten, die für die Spielergesundheit möglichst wenig schädlich sei.

Bistum Münster: Fußball-WM im Advents als Chance nutzen

Das Bistum Münster ermutigte dazu, die Fußball-WM im Advent als Chance zu nutzen. "Dann könnte der Advent 2022 mit der Erinnerung an die Menschwerdung Gottes, für den kein Platz in der Welt war, die Menschen in den Blick nehmen, für die heute kein Platz ist", erklärte der Leiter der Hauptabteilung Seelsorge im Bischöflichen Generalvikariat, Pater Manfred Kollig. Thematisiert werden sollten auch die Menschenrechte in Katar und die missachteten Rechte der Arbeiter auf den Baustellen für die Fußball-WM. Es sei jedoch auch zu fragen, ob die aktuelle Form, in Deutschland die Adventzeit zu gestalten, wirklich so etwas wie ein weltweit zu schützendes Kulturerbe sei.

Der Kölner Erzbischof Rainer Maria Woelki hatte kürzlich in einem Zeitungsinterview erklärt, dass für ihn Public Viewing auf dem Weihnachtsmarkt kaum vorstellbar sei. Die Adventszeit werde durch die Verschiebung der Fußball-WM noch stressiger. Es werde schwieriger, Momente der Ruhe zu finden.


Quelle:
epd