Deutschlands älteste katholische Kulturzeitschrift wird 150

Dialog zwischen Kirche und Gesellschaft

Am 7. März 1865 erschien die erste Ausgabe der Jesuitenzeitschrift "Stimmen der Zeit". Damit ist sie die älteste noch erscheinende katholische Kulturzeitschrift deutscher Sprache.

Chefredakteur Andreas Batlogg (KNA)
Chefredakteur Andreas Batlogg / ( KNA )

Mit einer Auflage von gut 3.000 Exemplaren beteiligt sich die Zeitschrift "Stimmen der Zeit" an innerkirchlichen Debatten und bringt sich mit renommierten Autoren in politische, kulturelle und gesellschaftliche Diskussionen ein. So beschäftigt sich die aktuelle März-Ausgabe unter anderem mit geschiedenen Katholiken, die erneut zivil heiraten, den ethischen Herausforderungen des demografischen Wandels und der Überzeugungskraft religiöser Argumente im politischen Raum.

Für den Orden sind die im Herder-Verlag in Freiburg erscheinenden "Stimmen" ein Zuschussprojekt. Jedes Jahr muss die deutsche Provinz beträchtliche Eigenmittel investieren, um die Zeitschrift am Leben zu erhalten. Chefredakteur Pater Andreas Batlogg (52) plädiert daher für eine Neukonzeption. Von seiner Tradition allein könne das Blatt, das sich an "aufgeschlossene Christen" wendet, nicht leben. Beim Nachdenken darüber, wie die "Stimmen" angesichts rückläufiger Abozahlen, veränderter Lesegewohnheiten und digitaler Konkurrenz im Internet bestehen könnten, dürfe es keine Tabus geben, sagte er der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in München.

Zunächst noch "Stimmen aus Maria Laach"

Seine Redaktion macht vom Jubiläum kein großes Aufheben. Bis September 1914 hieß die Zeitschrift noch "Stimmen aus Maria Laach", benannt nach ihrem Gründungsort. In den ersten Jahren erschien sie in unregelmäßigen Abständen. Im Monatsrhythmus gibt es sie erst seit 1871. In den Anfangsjahren waren die "Stimmen" stark römisch ausgerichtet. Sie widmeten sich der Vorbereitung und Verteidigung des Ersten Vatikanischen Konzils (1869/1870), das die Unfehlbarkeit und den Jurisdiktionsprimat des Papstes definierte. Die Entscheidung war vor allem unter deutschen Bischöfen heftig umstritten.

Das unter Reichskanzler Otto von Bismarck erlassene Jesuitengesetz zwang die Schriftleitung 1872, Deutschland zu verlassen. Nach verschiedenen Stationen in den Beneluxländern zog die Zeitschrift 1914 nach München um und gab sich den programmatischen Namen "Stimmen der Zeit". Zum Selbstverständnis gehört seither, weder Kirchenzeitung noch Verlautbarungsorgan einer bestimmten kirchlichen Richtung zu sein. Angestrebt wird vielmehr eine engagierte und vielstimmige Beteiligung an aktuellen Auseinandersetzungen.

Im Dezember 1935 verboten die Nationalsozialisten erstmals für einige Monate das Blatt. 1941 mussten die "Stimmen" auf Druck der Gestapo ihr Erscheinen ganz einstellen. Pater Alfred Delp, seit Juli 1939 Redaktionsmitglied, wurde Anfang Februar 1945 in Berlin von den Nazis hingerichtet. Er hatte der Widerstandsgruppe "Kreisauer Kreis" angehört.

Blütezeit nach dem Krieg

Nach dem Krieg erlebte die Zeitschrift den Höhepunkt ihrer Verbreitung, für kurze Zeit stieg die Zahl ihrer Abonnenten sogar über 20.000. Namhafte Jesuiten wie die Brüder Hugo und Karl Rahner oder Oswald von Nell-Breuning nutzten sie als Podium, um ihre neuen theologischen Ansätze zur Diskussion zu stellen. Inzwischen sind die Autoren überwiegend keine Jesuiten.

Offener Dialog zwischen Kirche und Gesellschaft

Mit Pater Wolfgang Seibel, der von 1966 bis 1998 als Chefredakteur verantwortlich zeichnete, gewannen die "Stimmen der Zeit" ihr bis heute gültiges Profil als Zeitschrift, die sich für einen offenen Dialog zwischen Kirche und Gesellschaft einsetzt. Die Editorials des engagierten Streiters für die Umsetzung des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962 bis 1965) standen im Ruf, so manchen Bischof das Fürchten zu lehren. Vor einigen Jahren trugen die Kardinäle Walter Kasper und Joseph Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI., einen Teil ihrer Kontroversen über die "Stimmen der Zeit" aus.

Christoph Renzikowski


Quelle:
KNA