Frauenquote: ZdK-Vizepräsidentin und Abgeordnete beklagt fehlende Gleichstellung

"Wir sind in der Kirche um Lichtjahre zurück"

Die Frauenquote in Aufsichtsräten von Großunternehmen ist beschlossen. Wie sieht es damit in der katholischen Kirche aus? Düster, meint Claudia Lücking-Michel, Bundestagsabgeordnete und Vizepräsidentin des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken.

Dr. Claudia Lücking-Michel / © Presse (Pressestelle der CDU Nordrhein-Westfalen)

domradio.de: Ist das ein guter Tag für die Frauen in Deutschland?

Lücking-Michel: Ja, auf jeden Fall, es ist ein Riesenschritt in die richtige Richtung. Daher erleben Sie mich gerade sehr aufgeräumt und fröhlich.

domradio.de: Sprechen wir aber vor allem über Frauen in der Kirche und in kirchlichen Führungspositionen. Sind Sie da auch so aufgeräumt und fröhlich?

Lücking-Michel: Gut, jetzt holen Sie mich gleich wieder auf den Boden einer anderen Realität zurück. Rein formal greift das neue Gesetz natürlich nicht für die Beschäftigten und die Situation bei den Führungspositionen in der Kirche. De facto sind wir in der Katholischen Kirche in Deutschland noch viele, viele Schritte hinter dem zurück, was wir öffentlich gesetzlich heute regeln konnten und de facto auch leben. Auf beiden Ebenen sind wir in der Kirche um Lichtjahre zurück.

domradio.de: Wäre denn in der Kirche eine Frauenquote denkbar und wünschenswert?

Lücking-Michel: Es wäre unbedingt wünschenswert, dass Frauen angemessen an den Gestaltungsmöglichkeiten in der Kirche beteiligt werden. Konkret hieße das: mehr Führungspositionen und Verantwortung für Frauen. Wie im öffentlichen Leben, wäre auch hier eine Quote ein Hilfsmittel. Es geht aber nicht um Quoten um der Quoten Willen, sondern um Quoten, weil es anders nicht voran geht. In der Kirche wäre ein erster wichtiger Schritt, eine transparente Übersicht über alle besonders relevanten Führungsaufgaben und eine Übersicht, wie viele davon mit Männern besetzt sind. Das würde schon den Druck etwas erhöhen. Dann müssten wir festhalten, wie viele davon mit Männern besetzt sind, weil sie Priestern vorbehalten sind, und wie viele davon kirchenrechtlich Priestern vorbehalten sind. Und wie viele davon Priestern vorbehalten sind, weil es immer schon so gewesen ist. Wenn wir das täten, würden wir ganz schnell feststellen, dass eine Quote für viele, viele Bereiche, in denen nämlich die Besetzung de facto nicht an die Weihe gebunden ist, uns schon einen Schritt nach vorne bringen würde. Und natürlich insofern auch wünschenswert ist.

domradio.de: Die Deutsche Bischofskonferenz hat vor zwei Jahren einen Studientag zu diesem Thema abgehalten. Sehen Sie seitdem Fortschritte? Damals waren 13 % der Leitungspositionen mit Frauen besetzt.

Lücking-Michel: Fortschritte ja, aber im Schneckenschritt. Ich will ja gar nicht verleugnen, dass es eine Reihe von Bischöfen gibt, die das Problem der mangelnden Frauenbeteiligung in der Kirche erkannt haben und sich auch bemühen, Fortschritte zu erzielen, damit das Thema "Frauen auf Führungspositionen" in den Diözesen jetzt überall adressiert wird. Mittlerweile ist es ja immerhin auch in der Kirche "political correct", zu sagen: "Ich habe eine Ordinariatsrätin oder eine Caritas-Direktorin." Man kann sich damit hervortun. Aber das ist alles andere als befriedigend.

domradio.de: In der Abschlusserklärung hieß es auch: "Wir werden verstärkt nach Möglichkeiten suchen, den Anteil von Frauen in Leitungspositionen weiter zu erhöhen."

Lücking-Michel: Das ist gut das, dass da steht. Aber sie wissen ja, was es bedeutet, wenn in einem Arbeitszeugnis steht: "Er hat sich Mühe gegeben". Ein gutes Arbeitszeugnis sieht anders aus. Es geht nicht entscheiden genug voran. Wir reden ja hier nicht über 50% Frauen und 50% Männer, die faktisch Kirche gestalten und prägen. Es gilt immer noch der oft zitierte Spruch: "Wir sind eine von Männern geleitete Frauenkirche." Mich macht dieses ungleiche Verhältnis in den Führungspositionen wirklich nervös.

1981 haben die Bischöfe in ihrem Hirtenwort zur Stellung der Frauen in der Kirche gesagt: "Kirche will ein Vorbild sein für ein Miteinander der Geschlechter in der Gesellschaft." Da muss ich leider sagen: In diesem Punkt möchte man auf keinen Fall, dass die Situation der Kirche Vorbild für die Gesellschaft ist. Ich bin froh, dass wir in Deutschland gesellschaftlich weiter vorangeschritten sind. Ich hoffe, dass Kirche sich das als Vorbild für ihre eigenen Verhältnisse nimmt.

Das Interview führte Mathias Friebe.


Quelle:
DR