Ebola noch nicht eingedämmt

"Bloß nicht die Aufmerksamkeit erschlaffen lassen"

In Westafrika müssen weniger Patienten wegen Ebola behandelt werden. Aber die Hilfsorganisationen warnen: Es sei viel zu früh, sich entspannt zurück zu lehnen. Dazu Florian Westphal von Ärzte ohne Grenzen im domradio.de.-Interview.

Ebola-Fachkräfte in Sierra Leone  (dpa)
Ebola-Fachkräfte in Sierra Leone / ( dpa )

domradio.de: In einigen Behandlungszentren in Liberia, Guinea und Sierra Leone gibt es jetzt weniger Patienten als erwartet - das ist ja erst mal ein gutes Zeichen, oder?

Florian Westphal (Geschäftsführer Ärzte ohne Grenzen): Es gibt verglichen mit dem letzten Jahr eindeutig weniger Patienten und natürlich ist das ein gutes Zeichen. Daraus darf man aber nicht schließen, dass die Epidemie vollständig besiegt wurde. Im Gegenteil: Wir mussten ja leider feststellen, dass laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Fallzahlen in den letzten zwei Wochen eher wieder zugenommen haben. Und wir müssen leider immer noch davon ausgehen, dass es auch Ebolafälle gibt, die überhaupt nicht in Behandlungszentren auftauchen. Das heißt, von denen wir - wenn überhaupt - erst viel zu spät etwas wissen.

domradio.de: Die Bundesregierung hat bisher rund 162 Millionen Euro bereit gestellt - das reicht noch lange nicht, sagen Sie. Warum müssen weiter Gelder in die Ebola-Gebiete fließen? 

Westphal: Ganz wichtig ist, dass die Bundesregierung und auch die anderen Akteure jetzt wirklich dranbleiben. Wir können wirklich nur davon ausgehen, dass Ebola besiegt ist, wenn es 42 Tage lang keinen neuen Fall gibt. Und genau bis zu dem Zeitpunkt müssen alle dabei bleiben, müssen sich darum kümmern, dass die akuten Fälle behandelt und dass die Infektionsketten weiter verfolgt werden.

Es gibt immer noch Fälle, die praktisch aus dem Nichts auftauchen, von denen wir vorher nichts wussten und die nicht mit bereits bekannten Fällen in Verbindung gebracht werden können. Das bedeutet, dass die Überwachung der Infektion immer noch nicht effektiv läuft. Genau in diese Bereiche muss weiterhin investiert werden, da muss weiterhin Fachpersonal entsandt werden. Jetzt darf man bloß nicht die Aufmerksamkeit erschlaffen lassen.

domradio.de: Guinea, Liberia und Sierre Leone wollen in den kommenden zwei Monaten die Zahl der Neuinfektionen auf Null senken - ein realistisches Ziel? 

Westphal: Dass lässt sich relativ schwer beurteilen. Aber wenn das gelingen soll, dann müssen die Anstrengungen jetzt noch einmal zunehmen. Gerade wenn es darum geht, wirklich effektiv die Infektionsketten zu verfolgen und diese Informationen auch unter den drei Ländern auszutauschen.

Es bringt nämlich nicht so wahnsinnig viel, wenn man in Sierra Leone genau weiß, wer sich wie und wo infiziert hat - aber diese Informationen nicht mit den Nachbarländern geteilt werden. Denn wir wissen ja aus der Vergangenheit, dass sich die Infektion auch dadurch ausbreitet, dass sich die Menschen relativ leicht über die Landesgrenzen bewegen können, um dort Familie und Freunde zu besuchen. 

domradio.de: Flexibilität wäre also wichtig  - ein schnelles Reagieren auf die tatsächlichen Bedürfnisse in den betroffenen Ländern. Wie kann das am besten gewährleistet werden?

Westphal: Indem man wirklich von den Einsatzkräfte verlangt, dass sie flexibel bleiben. Das heißt, dass sie nicht unbedingt vor Ort das machen, mit dem sie gerechnet haben. Das bedeutet dann eben manchmal auch - und das tun wir bei Ärzte ohne Grenzen - dass wir von unseren Medizinern verlangen, dass sie nicht nur Patienten behandeln, sondern dass sie sich auch mit der Gesundheitsaufklärung und mit der Rückverfolgung von Infektionsfällen befassen. 

Wenn in den Behandlungszentren jetzt weniger Patienten sind - und das ist ja auch bei uns der Fall - dann darf das nur bedeuten, dass das dadurch frei werdende Personal woanders eingesetzt wird, um so schnell wie möglich auf neue Infektionsfälle antworten und sie eindämmen zu können. 

domradio.de: Wie gehen Sie von Ärzte ohne Grenzen in Westafrika konkret gegen Ebola vor? 

Westphal: Wir haben momentan etwas über 300 internationale und über 4000 nationale Mitarbeiter in den drei Ländern. Wir haben etwa zehn Behandlungszentren. Dadurch, dass sich die Epidemie verändert hat, haben wir Schwerpunkte auf die Rückverfolgung von Infektionsfällen und die Gesundheitsaufklärung Schwerpunkte gesetzt. Wir überwachen die Landesteile, um auf neu auftretende Infektionsfälle so schnell wie möglich reagieren zu können. Wir versuchen auch im kleinen Rahmen mobil vor Ort zu behandeln, damit sich die Infektion so wenig wie möglich ausbreitet.

 

Das Interview führte Hilde Regeniter.

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Weder domradio.de noch das Erzbistum Köln machen sich Äußerungen der Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen zu eigen.


Quelle:
DR