Welthungerhilfe lobt Ebola-Frühwarnsystem

Weniger Ansteckungen in Sierra Leone

Gute Nachrichten: Die Ebola-Krise scheint in Sierra Leone am Wendepunkt zu stehen. Jochen Moninger, Landeskoordinator der Welthungerhilfe, erklärt im domradio.de-Interview, wie das Frühwarnsystem dazu beigetragen hat.

Ebola-Fachkräfte in Sierra Leone  (dpa)
Ebola-Fachkräfte in Sierra Leone / ( dpa )

domradio.de: Noch immer stecken sich in Sierra Leone  jeden Tag über 20 Menschen neu mit Ebola an. Trotzdem sind Sie zuversichtlich, dass die Überwindung der Krise jetzt in greifbare Nähe gerückt ist. Warum?

Moninger: Die Zahl der Neuansteckungen fällt - und zwar schon seit drei Wochen. Die epidemiologische Kurve schaut nach unten, landesweit und auf die einzelnen Restrikte runtergebrochen. In manchen Restrikten gibt es seit 42 Tagen keine Neuerkrankungen mehr. Das entspricht der doppelten Inkubationszeit. Das ist ermutigend.

Der Grund für die Verbesserung liegt an dem neu aufgebauten Hilfssystem. Noch vor zwei bis drei Monaten wusste niemand, was gegen Ebola unternommen werden kann und was die Epidemie stoppt. Heute hat man viele Methoden entwickelt, auch mit Hilfe des Auslands, so dass man jetzt das erste Mal einen Schritt vor der Krise ist.

domradio.de: Sie setzen auf den gezielten Aufbau des Frühwarnssystems. Wie muss ich mir den denn konkret vorstellen?

Moninger: Wir haben immer 20 Erkrankungs-Fälle am Tag. Das ist immer noch eine hohe Anzahl. Die Gefahr ist schon da, dass die Seuche wieder ausbricht. Die Epidemie ging damals ja auch von einem Erkrankten in Sierra Leone aus, der zehntausend Erkrankungen nach sich gezogen hat. So etwas darf nicht nochmal passieren. Wir müssen in der Gesundheitsvorsorge, aber auch spezifisch mit Blick auf die Epidemie, ein Frühwarnsystem etablieren - so dass man die Gefahr sehr früh erkennt und mit geeigneten Maßnahmen darauf reagiert.

domradio.de: Das heißt in den Regionen, in denen sie erfolgreich operieren, funktioniert dieses Frühwarnsystem?

Moninger: Im Moment ist das Land praktisch lahm gelegt. Ab sechs Uhr abends sind alle Menschen daheim. Geschäfte, Kneipen und andere Einrichtungen sind geschlossen. Die Überlandstraßen sind gesperrt, es wird überall kontrolliert. Auch der allgemeine Verkehr ist beschränkt von neun Uhr bis fünf Uhr abends. Das Land ist noch immer in einem extremen Status der Quarantäne.

Das kann man natürlich nicht ewig aufrecht erhalten: Die Wirtschaftskraft sinkt, die Arbeitslosenzahlen steigen. Die allgemeine Armut steigt und es war schon vorher kein reiches Land. Wir müssen einen Weg zur Normalität finden. Aber das kann nur funktionieren, wenn die Frühwarnsysteme etabliert sind. Im Moment sind wir noch in der Katastrophenversorgung und in der Katastrophenhilfe tätig. Die muss ersetzt werden durch die Frühwarnsysteme. Doch so weit sind wir noch nicht.

domradio.de: Vielleicht können Sie ja noch erklären, wie man sich so ein Frühwarnsystem vorstellen muss?

Moninger: Es gibt im Land ein Netzwerk von Community-Help-Stations als erster Anlaufpunkt. Es gibt parallel das System der traditionellen Heiler, die vor allem für die ländliche Bevölkerung der erste Anlaufpunkt sind. Man muss mit diesen Systemen arbeiten, um auf die Gefahren aufmerksam zu machen. Dann muss eine Anlaufstruktur aufgebaut werden, die auf so einen Ebola-Fall reagiert. Labore müssen zur Verfügung stehen, um die Tests durchzuführen.

Im zweiten Schritt gibt es spezialisierte Behandlungszentren, weil man Ebola-Patienten nicht mit anderen Patienten in einem anderen Raum belassen darf. Es muss die Möglichkeit einer spezialisierten Beerdigung möglich sein, also einer klinischen Beerdigung. Auch das contact-tracing ist unheimlich wichtig, das heißt, man muss nachvollziehen können, wo er herkommt. Ebola ist eine Kontaktkrankheit. Das heißt, das ist auch eine Spionagearbeit, die man zu jedem Fall durchführen muss, um zu erkennen, wer gegebenenfalls mit dem Virus infiziert ist. Es ist ein komplexes System.

Das Interview führte Hilde Regeniter.

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Quelle:
DR