Reform der Pflegeversicherung tritt am 1. Januar in Kraft

Höhere Leistungen für Pflegebedürftige

Pflegebedürftige und ihre Angehörigen erhalten ab Januar höhere Leistungen der Pflegeversicherung. Auch die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf wird verbessert. Zugleich müssen Versicherte dann auch höhere Beiträge für die Gesetzliche Pflegeversicherung zahlen.

Pflege: Thema wird immer wichtiger  (dpa)
Pflege: Thema wird immer wichtiger / ( dpa )

Verbesserungen gibt es zunächst vor allem für die häusliche Pflege durch das sogenannte Erste Pflegestärkungsgesetz. Außerdem verabschiedete die Koalition Anfang Dezember das Familienpflegezeitgesetz. Künftig haben Arbeitnehmer mehr Rechte, eine längere Jobpause einzulegen, um Angehörige zu pflegen. Und für eine Auszeit von zehn Tagen gibt es ab jetzt Lohnersatz.

Baustellen in der Pflege gibt es viele: Nicht nur, dass die Zahl der Pflegebedürftigen von heute 2,34 auf 4,51 Millionen im Jahr 2060 steigen dürfte. Auch die Zahl allein lebender Pflegebedürftiger nimmt zu. Ungewiss ist deshalb, wie weit Angehörige auf Dauer die häusliche Pflege angesichts veränderter Erwerbsbiografien und Familienstrukturen tragen können.

Mehr Gestaltungs- und Wahlmöglichkeiten

Zeitgleich wird sich der Bedarf an Pflegepersonal mehr als verdoppeln - von 629.600 auf 1,4 Millionen Vollzeitbeschäftigte. Schon heute gibt es aber einen Fachkräftemangel, und schon heute wirbt die Bundesrepublik im Ausland Pflegekräfte an.

Ziel des im neuen Jahr in Kraft tretenden ersten "Pflegestärkungsgesetzes" ist es vor allem, die häusliche Pflege zu stabilisieren. Schließlich werden zwei Drittel der Pflegebedürftigen zu Hause betreut, doch die Angehörigen fühlen sich oft überfordert.

Betroffene sollen deshalb mehr Gestaltungs- und Wahlmöglichkeiten erhalten. So können Angehörige künftig die Leistungen der Verhinderungs- und Kurzzeitpflege besser miteinander kombinieren und Unterstützung von außen einkaufen. Die meisten Leistungen der Versicherung werden inflationsbedingt um vier Prozent angehoben.

Im Bereich der stationären Pflegeeinrichtungen soll die Zahl zusätzlicher Betreuungskräfte erhöht werden. Zudem will die Bundesregierung einen Pflegevorsorgefonds als "Demografie-Reserve" aufbauen. Über einen Zeitraum von 20 Jahren soll Geld angespart werden, um Beitragssteigerungen abzumildern, wenn die Babyboomer-Generation Pflege braucht.

Verbesserungen auf der einen Seite - steigende Kosten auf der anderen: 2015 steigen die Beitragssätze der Pflegeversicherung um 0,3 Prozentpunkte oder 3,6 Milliarden Euro. 0,2 Prozentpunkte davon oder 2,4 Milliarden Euro werden für Leistungsverbesserungen verwendet. Die restlichen 0,1 Prozentpunkte gehen in den Vorsorgefonds. Er ist stark umstritten: Kritiker befürchten, die Gelder könnten leicht für andere politische Aufgaben zweckentfremdet werden. Zudem könne der Fonds angesichts niedriger Zinsen real an Wert verlieren.

Ebenfalls zum 1. Januar tritt das Familienpflegezeitgesetz in Kraft. Künftig können Arbeitnehmer nicht nur für sechs Monate komplett aus dem Job aussteigen, sondern haben auch einen Rechtsanspruch auf 24 Monate Familienpflegezeit. Während dieser Zeit kann ein Beschäftigter seine Wochenarbeitszeit auf bis zu 15 Stunden reduzieren. Dieser Rechtsanspruch gilt aber nur in Unternehmen mit mindestens 25 Beschäftigten.

Neue Lohnersatzzahlungen

Außerdem bekommen Arbeitnehmer, die kurzfristig zehn Tage pausieren, um die Pflege eines Angehörigen zu organisieren, nach dem neuen Gesetz künftig einen Lohnersatz gezahlt - bislang war eine solche Auszeit unbezahlt. Neu ist auch der Anspruch auf ein zinsloses Darlehen, das während der monatelangen Pflegezeiten das fehlende Einkommen ausgleichen soll.

In einem zweiten Pflegestärkungsgesetz will die Bundesregierung dann bis 2017 den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff einführen - ein Vorhaben, an dem sich schon mehrere Gesundheitsminister die Zähne ausgebissen haben. Damit würden die Leistungen für Demenzkranke entscheidend angehoben. Weitere 2,4 Milliarden sind für diese zweite Stufe der Pflegereform eingeplant. Dafür sollen die Beiträge noch einmal um 0,2 Prozentpunkte erhöht werden.

Kritik der Verbände

Die Tatsache, dass der Rechtsanspruch auf Familienpflegezeit nur in Unternehmen mit mindestens 25 Beschäftigten gilt, war Anlass zur Kritik von Sozialverbänden. So meinte der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, offenkundig habe sich die Lobby der Wirtschaft durchgesetzt. Leidtragende seien zwei Millionen Arbeitnehmer mehr, die von dieser Neuregelung nicht profitierten.

Der Familienbund der Katholiken sprach von einer "bitteren Pille für viele pflegende Angehörige". Mehr als ein Viertel aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten seien jetzt vom Rechtsanspruch auf die Familienpflegezeit ausgeschlossen. Claudia Hagen vom Familienbund begrüßte zwar die Verbesserungen gegenüber der aktuellen Gesetzeslage, kritisierte aber auch die Einführung des zinslosen Darlehens. Das könnten sich viele Menschen mit mittleren und kleinen Einkommen nicht erlauben und birge die Gefahr einer Verschuldung, so Hagen im domradio.de-Interview. Nötig wäre vielmehr eine echte Lohnersatzleistung für die Familienpflegezeit.

Auch die Opposition bemängelte ein "Einknicken vor den Arbeitgebern". Damit sei der Rechtsanspruch "das Papier nicht mehr wert, auf dem er festgehalten wird", so die grüne Abgeordnete Elisabeth Scharfenberg. Die linke Abgeordnete Pia Zimmermann bemängelte, eine Pflege lasse sich nicht in zehn Tagen organisieren. Sie plädierte für eine sechswöchige Pflegezeit. Zudem sei völlig offen, was passiere, wenn der Angehörige auch nach zwei Jahren noch pflegebedürftig sei.


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