Ev. Pfarrer aus Vorra zu den Brandanschlägen auf Flüchtlingsheime

"Wir waren voller Vorfreude"

Das fränkische Dorf Vorra hatte sich gut vorbereitet auf die Flüchtlinge, die bald ankommen sollten. Die Brandanschläge auf die Unterkünfte unterbrachen diese Vorfreude jäh  - Vorra steht unter Schock, sagt Pfarrer Björn Schukat.

Anschlag auf Flüchtlingsunterkünfte (dpa)
Anschlag auf Flüchtlingsunterkünfte / ( dpa )

domradio.de: Was herrscht für eine Gefühlslage bei Ihnen und Ihren Gemeindemitgliedern?

Pfarrer Björn Schukat: Die ist im Grunde genommen unbeschreiblich im Augenblick. Wir sind entsetzt, wir sind zornig, wir sind wütend, wir trauern. Viele Menschen haben gestern Nacht und heute auf offener Straße geweint. Im Augenblick fehlen uns die Worte, dass muss man ganz klar so sagen.

domradio.de: Ungefähr zur gleichen Zeit, als Sie und Ihre Frau Ihr Amt in Vorra angetreten haben, da war das Thema Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingen in einer Anfangsphase. Welches Projekt ist da gestartet?

Schukat: Das Projekt betraf zwei alte Gasthäuser in unseren Gemeindegebieten, die von privaten Investoren gekauft wurden und als Asylbewerberunterkünften umgebaut wurden. Das geschah mit einem riesigen Aufwand, auch wirklich mit Herzblut. Man hat gemerkt, dass den Investoren hier nicht am Geld gelegen war, sondern sie wollten wirklich menschenwürdige Unterkünfte schaffen. Dieser Anmarschweg hat natürlich im Dorf manch Unsicherheit hervorgerufen, aber wir sind da sehr offensiv an die Sache herangegangen. Wir haben uns mit Vorträgen, mit Veranstaltungen, mit Gottesdiensten bemüht, das Dorf wirklich darauf vorzubereiten. Es war so, dass zum Schluss jetzt diesen Jahres, kurz bevor die Flüchtlinge hier einziehen sollten, fast schon so etwas wie Vorfreude war, auf etwas Neues, Unbekanntes, Fremdes. Wir haben das alles geplant mit Empfang und Buffet und umso tiefer sind wir heute Nacht gefallen.

domadio.de: Es hat sich ein Unterstützerkreis von gut 30 Leuten gebildet. Vor zwei Wochen gab es einen Tag der offenen Tür. Was haben Sie da veranstaltet?

Schukat: Der Tag der offenen Tür war vom Investor ausgerichtet. Da haben wir als Unterstützerkreis sekundär damit zu tun gehabt. Der Investor wollte einfach dem Dorf zeigen, wie er dieses alte Gasthaus, das eine alte Tradition hier in Vorra hatte und jetzt über 20 Jahre leer stand. Er wollte einfach der Öffentlichkeit zeigen, wie er das Haus hergerichtet hatte. Es waren ganz viele Leute da und sie waren begeistert von diesem Haus, vom Herrichten, äußerlich wie innerlich, das hat auch das Dorf ein Stück weit aufgewertet.

domradio.de: Es heißt, man kann lesen, dass sich am Ortsrand in den vergangenen Monaten regelmäßig mutmaßliche Neonazis getroffen hätten. Man habe da kleine Gruppen, die wohl dem rechten Rand zuzuordnen sind, gesehen. Hatten Sie davon etwas mitbekommen?

Schukat: Ich muss ehrlich sagen, dass ich das heute das allererste Mal gehört habe. Wie Sie erwähnt haben, sind wir seit einem Jahr hier auf der Stelle, das ist relativ neu und Sie können sich vorstellen, dass ich mich als Pfarrer in vielen Kreisen bewege, aber sicherlich nicht in solchen Kreisen, von daher hat mich diese Nachricht heute überrascht, aber in der Tat war das wohl auch schon bekannt gewesen.

domradio.de: So ein schlimmes Ereignis, das ist natürlich etwas, was die Menschen bewegt, wo sie vielleicht auch selber Hilfe und Beistand suchen bei der Kirche, also auch bei Ihnen. Was werden Sie am Sonntag im Gottesdienst machen?

Schukat: Wir werden am Sonntag breit aufgestellt sein, nicht nur jetzt mit den Menschen hier vor Ort, sondern auch zum Beispiel mit unserem Regionalbischof aus Nürnberg, mit unserem Dekan aus Hersbruck, mit verschiedenen Vertretern aus der Öffentlichkeit, um Solidarität zu zeigen. Solidarität einerseits den Menschen gegenüber, die im Augenblick die ärmsten Menschen auf der ganzen Welt sind. Sie fliehen vor unglaublichem Gräuel und Gewalttaten und können dann phasenweise in Deutschland nicht sicher sein. Das wollen wir in diesem Gottesdienst ganz deutlich zum Ausdruck bringen, dass es unsere Christenpflicht ist, hier auch aktiv zu sein, Unterstützung zu leisten, Nächstenliebe zu üben. Andererseits wollen wir Solidarität oder werden andere Leute uns auch hier in Vorra Solidarität erweisen. Wir sind wirklich gewachsen und gereift  in den letzten Wochen und Monaten, wir haben uns gefreut auf das, was kommt. Wir waren voller Vorfreude und haben alles geplant gehabt und es tut uns gut, wenn in diesem Gottesdienst auch von außen Leute kommen und sagen, hey, wir sehen Euer Engagement und wir wissen, dass dieser Ort nicht stigmatisiert werden kann und darf.

domradio.de: Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Uta Vorbrodt. Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Weder domradio.de noch das Erzbistum Köln machen sich Äußerungen der Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen zu eigen.


Pfarrer Björn Schukat  (dpa)
Pfarrer Björn Schukat / ( dpa )
Quelle:
DR