Bürokratie bei Flüchtlingsunterkünften

"Die Prüfungen dauern sehr lange"

Die Zahl der Flüchtlinge steigt immer weiter an. Warum die von der Kirche angebotenen Unterkünfte dennoch oft noch leer stehen, erklärt Dr. Frank Johannes Hensel, der Direktor des Diözesan-Caritasverbandes im Erzbistum Köln, im domradio.de-Interview.

Neue Nachbarn (dpa)
Neue Nachbarn / ( dpa )

domradio.de: Trügt der öffentliche Eindruck oder sind tatsächlich in vielen der von Ihnen angebotenen Unterkünfte keine Flüchtlinge?

Hensel: Es geht jedenfalls bemerkenswert langsam. Wir geben ja unsere Kapazitäten an die öffentlichen Stellen - Bezirksregierungen und Kommunen - weiter. Da wird dann der Wohnraum geprüft. Das sind zum einen Sammelunterkünfte, aber auch einzelne Wohnungen. Aber es vergeht geraume Zeit, bis die Angebote geprüft werden, das scheint mir teilweise auch im Administrativen stecken zu bleiben. Das Land schaut, ob es selbst Zugriff auf die Unterkünfte nimmt und entscheidet sich womöglich dann dagegen.

Bis das aber ausgesprochen ist, ist viel Zeit vergangen. Und dann überlegt die Kommune, ob sie die Unterkünfte gebrauchen kann. Auf diese Weise steht angebotener Wohnraum - zum Beispiel ein leeres Altenheim - weiter leer. Die Jalousien sind runtergezogen und da tut sich nichts.

domradio.de: Was wird denn geprüft vom Land und von den Kommunen?

Hensel: Denkmalschutz, Brandschutz, Schließtechnik und anderes. Es wird geprüft, ob es ein zumutbarer Wohnraum ist. Denn es geht ja nicht nur darum, dass die Flüchtlinge in irgendeiner Form durch das Gebäude gefährdet werden könnten. Da gibt es Standards. Man kann sich aber manchmal wundern, was als standardgemäß genommen wird - Baumarktzelte oder ähnliches. Man staunt dann, wenn ein Altenheim, das bis vor wenigen Monaten betrieben wurde, nicht die Voraussetzungen erfüllt. Oft ist es der Brandschutz, der nicht mehr auf dem neuesten Stand ist. 

domradio.de: Brandschutz ist eine Sache. Sind es denn ansonsten für Sie akzeptable Begründungen, die bei einer Ablehnung von Wohnraum gebracht werden?

Hensel: Akzeptabel dann, wenn es um ein Problem mit dem Brandschutz geht. Schwierig ist das Thema mit dem Denkmalschutz, gerade auch hier in Köln. Da hat man das Gefühl, dass sich die Unterbehörden der Stadt ein bißchen verhakeln. Die einen wollen, die anderen bleibe skeptisch. So wird das Ganze schließlich auf eine immer länger Bank geschoben. Am Ende denken die Menschen womöglich, das läge an der Kirche. Die Kirche zeigt ja Bereitschaft, baut um, nimmt Geld in die Hand. Es ist ein Behördenthema. 

Und dann gibt es noch die Thematik, dass Wohnraum dort gewährt werden muss, wo eine Zuteilung von Flüchtlingen erteilt worden ist. Der Wohnraum kann dann nicht für eine Nachbarregion gewährt werden. Und damit ist es manchmal schwierig. Es gibt dann Fälle, dass es Wohnraum gibt, nebenan aber der Bedarf entstanden ist. Man kann noch nicht einmal Flüchtlingsplätze von Köln ins Bergische Land verlegen. Das ist für den Außenstehenden sehr verwirrend und wird der Sache an manchen Stellen auch nicht gerecht.

domradio.de: Ein Beispiel für eine nichtgenutzte, aber angebotene Unterkunft ist das ehemalige Altenheim in Lindlar, das Pfarrer-Braun-Haus. Der Kölner Erzbischof hatte das ins Gespräch gebracht. Wieso ist daraus nichts geworden?

Hensel: Man würde sagen, 70 Einzel- und 17 Doppelzimmer, noch bis vor einem Jahr belegt, das müsste doch möglich sein. Da funktioniert die Heizung noch, da ist alles soweit in Ordnung. Aber es ist für eine Erstaufnahmeeinrichtung des Landes als zu klein befunden. Das kann man akzeptieren. Auch wenn man sich fragt, warum es mehrere Wochen dauert, das zu bemerken. Denn wir haben das schon Mitte Oktober zur Prüfung weitergegeben. Die Gemeinde ist bereit, der Pfarrer ist bereit. Alle warten darauf, dass eine Aussage getroffen wird. 

Und tatsächlich hat jetzt die Bezirksregierung gesagt, dass sie es nicht will, und nun muss die Kommune schauen, ob sie darauf zugreift. Das geht eher etwas zögerlich vonstatten. Auch weil nicht überall der gleiche Bedarf ist. Wenn man gerade nicht so eine große Sammelunterkunft braucht, ist natürlich der Elan gebremst. Nebenan platzt alles aus den Nähten und man weiß nicht, wohin mit den Flüchtlingen. Da scheint es aber keinen Ausgleich zwischen den Kreisen zu geben. 

Mir ist es wichtig, klar zu verdeutlichen, dass wir von kirchlicher Seite Wohnraum anbieten, wo wir es können. Das bedarf aber immer noch einer Prüfung, die manchmal länger ist, als man so annehmen könnte. Das können wir nicht auflösen, sodass wir manchmal auch Opfer der langen Prüfungszeit sind. Mir ist wichtig, dass es nicht an der Kirche liegt. Wenn der Wohnraum nicht brauchbar ist, ist das natürlich aber auch eine Feststellung, die zu akzeptieren ist.


Quelle:
DR