Kirche fordert mehr Schutz für junge Flüchtlinge

25 Jahre UN-Kinderrechte

Vor 25 Jahren haben die Vereinten Nationen die Kinderrechtskonvention verabschiedet, aber noch immer sind weltweit Kinder in Not. Jeder zweite Flüchtling ist ein Kind. Auch Deutschland ist noch kein Kinderland.

Autor/in:
Teresa Tropf
Zeit für Kinderrechte (dpa)
Zeit für Kinderrechte / ( dpa )

Die Geschichte der Kinderrechte ist eine Erfolgsstory - doch längst nicht jedes Kind profitiert davon. Für die weltweit jährlich 6,6 Millionen Babys, die ihren fünften Geburtstag nicht erleben werden, weil es an Medikamenten und Trinkwasser mangelt, ist der 25. Jahrestag der UN-Kinderrechtskonvention ein trauriges Jubiläum. Genauso wie für die laut Unicef 57 Millionen Mädchen und Jungen ohne Platz in einem Klassenzimmer. Dennoch wird der Geburtstag des weltweiten "Grundgesetzes für Kinder" am 20. November gefeiert - etliche Kinder wurden bereits aus der Not befreit.

Todesrate der unter Fünfjährigen halbiert

"In praktisch allen Ländern hat sie seitdem zu Verbesserungen geführt", sagt Kinderrechtsexperte Jörg Maywald von der Hochschule Potsdam. Heute sterben laut Unicef nur noch knapp halb so viele Kinder unter fünf Jahren wie noch 1990. Krankheiten wie Kinderlähmung wurden durch Impfstoffe wirkungsvoll bekämpft. "Doch jenseits der Durchschnittswerte ist es uns bis heute noch nicht gelungen, das Versprechen der UN-Kinderrechtskonvention tatsächlich einzulösen", betont Sebastian Sedlmayr von Unicef Deutschland.

Alle Staaten außer Somalia, Südsudan und den USA haben die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen ratifiziert. Damit haben sie sich völkerrechtlich dazu verpflichtet, für das Wohlergehen ihrer Kinder zu sorgen. Dazu zählen Schutz-, Förder- und Beteiligungsrechte wie beispielsweise das Recht auf Gleichheit und Nicht-Diskriminierung, der Schutz vor Gewalt, das Recht auf Bildung und sauberes Trinkwasser.

Jedes zehnte Kind in Deutschland wächst in Armut auf

Deutschland war eines der ersten Länder, die dieses Versprechen ganz offiziell abgaben. Seitdem wurde beispielsweise Gewalt in der Erziehung unter Strafe gestellt. Seit 1998 haben Scheidungskinder das Recht auf Kontakt zu beiden Elternteilen. Doch die Bundesrepublik ist noch längst kein Musterbeispiel: Rund zehn Prozent der Kinder und Jugendlichen hierzulande wachsen laut dem UN-Kinderhilfswerk in relativer Armut auf. Maywald sieht Deutschland im Vergleich mit ähnlich wohlhabenden Ländern lediglich im Mittelfeld.

In allen Industrieländern zusammen stieg die Zahl der in Armut Aufwachsenden seit 2008 gar wieder um zweieinhalb Millionen auf 76,5 Millionen Kinder. "Gerade Alleinerziehende müssen durch bessere Betreuungsangebote die Möglichkeit erhalten, am Arbeitsleben teilzunehmen", fordert Unicef von Deutschland. Noch immer seien Bildungserfolge stark abhängig von der sozialen Herkunft, rügt Maywald. Eine aktuelle Herausforderung seien außerdem asylsuchende Minderjährige, die ohne ihre Eltern einreisen.

Kirchen: Junge Flüchtlinge mehr schützen

An ihre Situation erinnerten die Kirchen in Nordrhein-Westfalen. Flüchtlings- und Hilfsorganisationen sowie die beiden großen Kirchen haben die nordrhein-westfälische Landesregierung aufgefordert, minderjährige Flüchtlinge besonders zu schützen. Bei einer Landtagsanhörung erklärte der Beauftragte der evangelischen Kirche, Kirchenrat Thomas Weckelmann, das Wohl der Kinder müsse vor den Bestimmungen des Aufenthalts- und Asylrechtes rangieren. Dies ergebe sich schon aus der UN-Kinderrechtskonvention.

Auch der Leiter der Katholischen Büros bei Landtag und Landesregierung, Antonius Hamers, kritisierte, dass junge Flüchtlinge in NRW nicht konventionskonform behandelt würden. Die Gesellschaft gehe derzeit nicht sorgsam genug mit ihnen um.

Laut Landesregierung sind in den zurückliegenden Monaten allein aus den Bürgerkriegsländern Syrien und Irak 2.500 junge Flüchtlinge ohne Begleitung ihrer Eltern nach Nordrhein-Westfalen gekommen. Für sie verlangten die Flüchtlings- und Hilfsorganisationen einen schnelleren Zugang zu Schule und Ausbildung, eine Lockerung der Wohnsitzauflage, Verbesserungen bei Wohnbedingungen und medizinischer Versorgung sowie das Recht auf ein eigenes Konto. Zudem müsse das Kindeswohl bei der Verlängerung von Aufenthaltserlaubnissen und den Bedingungen der Abschiebehaft stärkere Anwendung finden.

Auch Kinder von Eltern, die ungeregelt einreisten oder um Asyl nachsuchten, hätten nach der UN-Kinderrechtskonvention ein Anrecht auf Unterricht. Das Schulrecht in NRW müsse entsprechend geändert werden.

Jeder zweite Flüchtling ist ein Kind

Weltweit ist heute laut UN-Angaben jeder zweite Flüchtling ein Kind. Flüchtlingskinderschicksale gibt es inzwischen mehr als noch zur Geburtsstunde der Konvention. Aktuelle Krisenherde wie in Syrien und Afghanistan führen auch in der Bundesrepublik zu überfüllten Aufnahmestellen. Nach Auffassung des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte werden Flüchtlingskinder in Deutschland nicht ausreichend gesundheitlich versorgt. In dieser Hinsicht missachte Deutschland die UN-Kinderrechtskonvention, so der Vorwurf des Verbandes.

Ein großer Haken sei noch immer der rechtliche Vorrang des Grundgesetzes vor der Konvention. Die Kinderrechte müssten auch ins Grundgesetz, fordern neben Unicef auch etliche viele Kinderverbände. Zum 25-Jahres-Jubiläum erscheint ein Anzeigen-Aufruf einiger Promis, Journalisten und Politiker in der Wochenzeitung "Die Zeit". Danach sollen in der Verfassung die Rechte auf Förderung, Schutz und Beteiligung sowie der Vorrang des Kindeswohls bei allem staatlichen Handeln festgeschrieben werden. Länder mit neueren Verfassungen wie Spanien seien Deutschland da bereits voraus, sagt Maywald.

Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig hat angekündigt, im Parlament dafür zu werben. "Ich finde es nicht in Ordnung, dass im Grundgesetz, unserem wichtigsten Wertebuch, die Kinderrechte fehlen", moniert die SPD-Politikerin. Maywald sieht für einen Antrag aus der Mitte des Parlaments sieht Maywald durchaus Erfolgschancen. "Die Zeit ist reif", meint er.


Quelle:
dpa , epd