UN-Vertreterin über Ernährungskonferenz in Rom

"Überfluss und Hunger hängen direkt zusammen"

805 Millionen Menschen hungern. Doch auch der Mangel im Überfluss ist ein Problem, das die anstehende UN-Welternährungskonferenz in Rom beschäftigt. Katharina Weltecke vom Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen, im domradio.de-Interview.

Hunger: Für 805 Millionen Menschen Alltag (KNA)
Hunger: Für 805 Millionen Menschen Alltag / ( KNA )

domradio.de: Erwarten Sie von der Ernährungskonferenz mehr als nur Lippenbekenntnisse?  

Katharina Weltecke (Sprecherin des UN-Welternährungsprogramms): Wir erwarten in erster Linie, dass auf das Thema versteckter Hunger, nämlich Mangelernährung, sehr viel mehr Aufmerksamkeit gelenkt wird. Momentan hungern 805 Millionen Menschen weltweit, das heißt, sie haben nicht genug zu essen, um ein aktives und gesundes Leben zu führen. Wenn wir uns das ganze Thema versteckter Hunger angucken, ist die Zahl leider noch viel, viel erschreckender. Insofern stimmen wir Bundesentwicklungsminister Gerd Müller natürlich zu, wenn er von einem „ungeheuerlichen Skandal“ spricht. Es leiden zwei Milliarden Menschen an Mangelernährung. Das ist ein wahnsinniger Verlust, natürlich vor allem für diese Individuen, besonders Kinder wachsen nicht richtig auf, wenn sie nicht ausreichend Nährstoffe bekommen. Und das hat natürlich Auswirkungen auf ganze Generationen und ganze Nationen.

domradio.de: Das ist jetzt die zweite internationale Ernährungskonferenz. Die erste hat 1992 stattgefunden. Was hat sich denn bis heute alles verbessert?

Weltecke: Die Lösungen sind eigentlich klar. Wir kennen mittlerweile die Lösungen und wir können mit relativ einfachen Mitteln zum Beispiel in den ersten tausend Tagen eines Kindes, das ist von der Empfängnis bis zum zweiten Geburtstag, eine gute und ausgewogene Ernährung sicherstellen, auch in Entwicklungsländern. Dafür fehlt es aber oftmals an Geld, eben weil das ganze Thema versteckter Hunger nicht hoch genug auf der Agenda steht. 

domradio.de: Der versteckte Hunger ist Thema, aber auch die Themen Überfluss und falsche Ernährung. Warum sind diese Themen so wichtig?

Weltecke: Aus unserer Sicht ist das miteinander verknüpft. Wir müssen auf der einen Seite Aufmerksamkeit schüren, dass natürlich in vielen Entwicklungsländern zuerst Kindern in Notsituationen geholfen wird, damit sie keine Spätfolgen davontragen, zum Beispiel in den vielen Konflikten, mit denen wir es im Moment zu tun haben, in Syrien, im Südsudan oder auch in der Zentralafrikanischen Republik. Das ist einerseits ein wichtiges Thema. Damit verknüpft ist aber auch ein verantwortungsbewusster Umgang mit Nahrungsmitteln hier bei uns vor Ort. Wir würden sagen, das sind zwei Seiten derselben Medaille.

domradio.de: Die Vereinten Nationen haben sich vorgenommen, den Hunger bis 2030 von der Erde zu verbannen. Wie soll denn das realisiert werden?

Weltecke: Die Lösung aus unserer Sicht ist die Unterstützung von Kleinbauern in Entwicklungsländern vor Ort. Wir stehen immer noch vor der erschreckenden Tatsache, dass drei von vier Hungernden weltweit auf dem Land leben und sich eigentlich von dem ernähren müssten, was sie selbst anbauen. Es gibt aber diverse Faktoren, die dazu führen, dass das nicht der Fall ist und genau da müssen wir ansetzen. Wir müssen diesen Kleinbauern helfen, dass sie das richtige Werkzeug bekommen.

domradio.de: Papst Franziskus wird am Donnerstag auch an der Konferenz teilnehmen. Ist diese Teilnahme symbolisch zu sehen oder hat sie eine echte Bedeutung?

Weltecke: Das ist von großer Bedeutung, eben weil es ein völliges Novum ist. Wir begrüßen das sehr, dass von so hoher Stelle und von einer Stelle, der auch sehr viel Bedeutung entgegen gebracht wird, diesem Thema so viel Aufmerksamkeit beigemessen wird.

Das Gespräch führte Susanna Gutknecht.

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Weder domradio.de noch das Erzbistum Köln machen sich Äußerungen der Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen zu eigen.


Quelle:
DR