Deutsche PalliativStiftung kritisiert Betreuung in einigen Regionen

Mehrheit der Deutschen stirbt unterversorgt

Die Mehrheit der Sterbenden in Deutschland scheidet nach Einschätzung des Vorstandsvorsitzenden der Deutschen PalliativStiftung, Thomas Sitte, "unterversorgt" aus dem Leben. Dies müsse dringend geändert werden.

Sterbehilfe: Der Gesetzgeber will Klarheit schaffen / © Alexander Raths
Sterbehilfe: Der Gesetzgeber will Klarheit schaffen / © Alexander Raths

Deutschland liege bei der internationalen ambulanten Versorgung zwar "relativ weit vorne", sagte Sitte am Donnerstagabend in der Hessischen Landesvertretung in Berlin. Dennoch sei die Versorgung in einigen Regionen weiterhin relativ schlecht. Vor der Regelung des assistierten Suizids müsse es darum gehen, die Versorgung zu verbessern, betonte Sitte: "Lieber das Leiden beseitigen als die Leidenden".

Der Mediziner wies zugleich darauf hin, dass die Schmerzstillung in der Palliativversorgung auch im Endstadium des Sterbens bei hohen Dosen nicht zur Lebensverkürzung führe. Dies sei "definitiv falsch", so Sitte. Rechtlich gilt eine Schmerzlinderung, die als Nebenwirkung eine Lebensverkürzung in Kauf nimmt, als erlaubt.

Angst vor sozialer Isolation

Auch die Autorin und Palliativschwester Dorothea Mihm forderte eine bessere Versorgung vor allem von Wachkomapatienten. Der größte menschliche Schmerz sei die soziale Isolation, sagte Mihm. Zugleich betonte sie, dass die Menschen wieder sprachfähig werden müssten über Sterben und Tod. Wenn die Menschen wüssten, welche Sterbesymptome auf sie zukämen, dann nehme ihnen das auch die Angst.

Entscheidungen respektieren

Die Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben, Elke Baezner, betonte, es gehe ihrer Gesellschaft vor allem um ein selbstbestimmtes Sterben. Dazu gebe es derzeit keine neutrale Beratung. Über die Grenze der persönlichen Würde könne der Einzelne nur für sich entscheiden. "Die Würde kann man absolut nicht objektivieren", betonte Baezner. Diese Entscheidung müsse die Gesellschaft respektieren.

Wenn für sie die Schmerz- oder Leidensgrenze erreicht sei, dann wolle sie das Mittel vom Arzt erhalten, sanft zu entschlafen. Das Töten auf Verlangen lehne sie ab.

Menschenwürde als Verfassungswert

Der Heidelberger Medizinethiker Axel W. Bauer wandte sich dagegen, die Menschenwürde als einen ästhetischen oder emotionalen Wert zu betrachten. Es sei ein Verfassungswert. Zugleich warnte er vor einer rechtlichen Lösung, die das Betäubungsmittelrecht liberalisiere. Denn hier liege der eigentliche rechtliche Unterschied zwischen Deutschland und der Schweiz als Ziel vieler Sterbewilliger. Bauer warnte, dass Baden-Württemberg und Bayern mit einem liberaleren ärztlichen Standesrecht demnächst ebenfalls solche Ziele für sterbewillige Menschen werden könnten.


Quelle:
KNA