Projekt Quartier 67 - Unterkunft für obdachlose Seniorinnen

"Besondere Wohnform für besondere Menschen"

Rentnerinnen sind immer häufiger von Armut bedroht und rutschen so in die Obdachlosigkeit. Wie wohnungslosen Seniorinnen in Köln mit einem neuen Projekt geholfen wird, erklärt Monika Kleine, Geschäftsführerin des SKF.  

Obdachlose in der Kälte (dpa)
Obdachlose in der Kälte / ( dpa )

domradio.de: Die älteste Frau, die sie betreuen, ist 86 Jahre alt. Warum sind die alten Frauen denn obdachlos?

Monika Kleine, Sozialdienst Katholischer Frauen: Ganz häufig haben die Frauen eine lange Geschichte der Wohnungslosigkeit. Sie sind irgendwann mal über eine Armutsspirale, über persönliche Schicksale, über Räumungsklagen in Verbindung mit einer schwierigen psychischen Situation, die sie vieles dann nicht regeln lassen konnten, auf der Straße gelandet. Sie haben dann viele Jahre das Leben auf der Straße organisiert, sind dabei häufig vorgealtert, haben ganz viele körperliche Gebrechen. Aber ganz häufig sind sie aber auch psychisch krank.  Sie sind dann auch irgendwann des Wohnens entwöhnt und nicht mehr in der Lage, sich ganz normal auf dem Wohnungsmarkt zu bewegen oder sich überhaupt wieder sesshaft zu machen mit all den Dingen, die sie auch verloren haben. Sie haben, indem sie ihre Wohnung verloren haben, auch ein Stück ihre Identität verloren. Sie haben keine Unterlagen, sie haben keine Versicherungsnachweise. All diese Dinge machen einen Rückweg in das Wohnen ganz schwierig.

domradio.de: Das heißt, es kann im Extremfall so weit gehen, dass eine ältere mittellose Dame auf der Straße stirbt?

Kleine: Ja, das erleben wir immer wieder. Das ist sicherlich nicht so häufig der Fall, weil wir in Köln ein wirklich gut ausgebautes ambulantes System haben, wo Frauen und Männer sich tagsüber aufhalten können. Wir haben Kontakt- und Beratungsstellen, wir haben viele Möglichkeiten auch des Übernachtens, aber eben immer nur temporär und tageweise, also jedenfalls keine Beheimatung auf Dauer.

domradio.de: Gerade bei Frauen ist es doch bestimmt oftmals so, dass sie sich wegen ihrer Notlage schämen. Wie kommt man dann an sie ran?

Kleine: Das ist für uns eigentlich gar nicht so schwierig. Was wir brauchen, ist einfach sehr viel Zeit. Es muss sehr normale Zugangswege geben, die in den Kontakt-und Beratungsstellen natürlich sehr selbstverständlich gegeben sind. Die Frauen können einfach erstmal da sein, die können sich aufwärmen, sie können ihre Grundbedürfnisse befriedigen wie essen, trinken, Wäsche waschen, neue Kleider aus unseren Kleiderkammern bekommen. Das sind erstmal Anbahnungsmöglichkeiten, die ein Vertrauen aufbauen und das braucht man allemal.

Man muss auch erst einmal einsteigen in die Verrücktheiten der alten Damen. Denn nur, wenn man die auch wirklich mag und auch erst einmal etwas mitschwimmt in diesem Leben mit Stimmen, Ängsten, Verweigerungen und Sperrigkeiten, nur dann bekommt man den Kontakt. Der ist notwendig, dass irgendwann auch eine Möglichkeit und eine Motivation geschaffen werden, sich irgendwann nochmal auf das Wohnen einzulassen.

domradio.de: Sie planen ja eine Wohngemeinschaft für obdachlose Seniorinnen einzurichten, wie soll das aussehen?

Kleine: Wir sind dem Phänomen den letzten drei Jahren ganz intensiv mit Hilfe eines Landesprojektes näher gekommen. Wir durften drei Jahre alte, wohnungslose Frauen begleiten, betreuen und gucken, wie kann man ihre Lebenssituation verbessern. Die ganz klare Erkenntnis: Wir brauchen eine besondere Wohnform. Man kann sie nicht einfach allein in eine Wohnung geben, man kann sie auch nicht in eine schlichte Wohngemeinschaft geben. Sie finden auch wenig bis gar keinen Platz in ganz normalen Altenheimen. Sie brauchen im Prinzip ein abgeschlossenes, eigenständiges Appartement im Rahmen einer Wohnung. Das heißt, mehrere Frauen können durchaus zusammen wohnen, aber dann darin auch wieder einzeln und separat und eigenständig. Die jeweiligen Verrücktheiten sind so unterschiedlich, die muss man durchaus durch eine eigene kleine Wohnung separieren. Die Frauen betreiben innerhalb dieser Wohnung also ihren eigenen Hausstand.

domradio.de: Der Sozialdienst katholischer Frauen wird von der katholischen Kirche getragen, aber Sie bekommen jetzt auch jüngst Hilfe und Unterstützung von großen Privatunternehmen. Was hat es damit auf sich?

Kleine: Das ist ein ganz wundervolles Geschenk. Die Firma Butlers hat uns eingeladen, in ihren Verkaufsräumen auf ihren Möbeln ein Konzert zugunsten dieses Projekts durchzuführen. Das heißt, wir sitzen auf Möbeln, ausgeliehen für diese Zeit und wir sammeln für die Einrichtung. Also für Möbel für Menschen, die keine Möbel  und Einrichtungsgegenstände haben. Das fanden wir ein ganz schönes Bild, eine ganz schöne Idee und wir sind da mit vielfachen Hilfen und Unterstützung ausgestattet. Das ist einfach ein großes Geschenk ist.

domradio.de: Quartier 67, so soll die neue Wohneinheit für mittellose Seniorinnen heißen. Warum dieser Name?

Kleine: Der Name kommt daher, weil der Paragraph 67 das gesetzliche Hilfsinstrument ist, was uns die Begleitung dieser Frauen ermöglicht. Das irgendwie in seiner Fachsprache zu benennen, ist einfach ganz unspannend. Deswegen haben wir gedacht, dass es eine schöne Idee ist. Es ist eben auch ein Quartier im doppelten Wortsinne und es sagt mit der kleinen Zahl 67, dass es ein besonderes Quartier ist für Menschen mit einer ganz besonderen Lebenssituation.

domradio.de: Wie viele Frauen werden dort leben?

Kleine: Wir werden es auf jeden Fall für vier bis fünf Frauen einrichten und wir werden dazu ein Zimmer oder ein kleines Appartement haben, das als Krankenzimmer dient. Da können wir dann Frauen, die eigentlich noch auf der Straße leben, aber krank sind, für eine begrenzte Zeit versorgen, damit sie ihre Krankheiten, die Menschen normalerweise ans Bett fesseln, dort auskurieren können.

domradio.de: Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Uta Vorbrodt.

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Weder domradio.de noch das Erzbistum Köln machen sich Äußerungen der Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen zu eigen.


Quelle:
DR