Eine deutsche Krankenschwester kämpft in Liberia gegen die Epidemie

"Ich bin immer in Alarmbereitschaft"

In Liberia kämpft die Würzburger Krankenschwester Anja Wolz im Auftrag von Ärzte ohne Grenzen gegen Ebola - und gegen das Misstrauen der Bevölkerung gegenüber den Behandlungszentren. Ein Interview.

Krankenschwester Anja Wolz (dpa)
Krankenschwester Anja Wolz / ( dpa )

Für die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen ist Anja Wolz täglich gegen die bisher größte Ebola-Epidemie im Einsatz. Auch wenn sich Familie und Freunde zu Hause Sorgen machen - Angst kennt die Würzburger Krankenschwester nicht. «Ich liebe meinen Job», erklärt sie im Interview mit der Nachrichtenagentur dpa.

dpa: Ihr Tag in Liberia hat gerade angefangen. Was werden Sie heute machen?

Wolz: Heute stehen Besprechungen an. Wir müssen klären, wie wir in den Stadtteilen präsenter werden können. Wir merken nämlich, dass die Menschen Angst haben, zu uns zu kommen. Die Patienten verstecken sich in ihren Vierteln. Viele nehmen die Ebola-Behandlungszentren eher als Todeszentren wahr, weil sie mitbekommen, dass Patienten hier auch sterben. Deshalb bleiben sie lieber daheim. Aber damit steigt die Gefahr, dass sie dort andere Menschen anstecken.

dpa: Wie können Sie das Vertrauen der Menschen gewinnen?

Wolz: Gestern hatten wir Besuch vom Iman, der sich unser Behandlungszentrum angesehen hat. Ihm konnten wir erklären, was wir mit den Patienten machen. Wir arbeiten auch viel mit den Überlebenden zusammen. Wer bei uns im Behandlungszentrum war und Ebola überlebt hat, mit dem gehen wir in die Gemeinden oder zum Radio, damit er erzählen kann, was bei uns passiert.

dpa: Sie haben schon über 30 Einsätze für Ärzte ohne Grenzen gemacht. Ist Ihre Arbeit in den Ebola-Gebieten bislang die größte Herausforderung?

Wolz: Definitiv. Das ist mein dritter Einsatz in diesem Jahr. Und jedes Mal, wenn ich zurückkomme, ist es schlimmer. Das ist frustrierend. Was wir hier leisten, ist groß. Aber wir sehen, dass es trotzdem häufig nicht reicht.

dpa: Was sind die Schwierigkeiten?

Wolz: Wir müssen die Patienten in den Dörfern häufig erst einmal finden und wir müssen für sichere Beerdigungen sorgen. Verstorbene Patienten müssen wegen der Ansteckungsgefahr verbrannt werden, aber das widerspricht der Tradition hier. Viele Familien wollen das nicht. Deshalb gibt es noch immer viele unsichere Beerdigungen. Das schlimmste dabei ist die Ungewissheit. Wir wissen nicht, was in den nächsten Monaten passiert.

dpa: Wenn Sie vor Ort das Leid der Patienten sehen, bekommen Sie dann selber Angst?

Wolz: Wenn ich Angst hätte, würde ich sofort nach Hause fliegen. Denn ich weiß: Wenn ich Angst habe, mache ich Fehler. Aber natürlich habe ich sehr, sehr viel Respekt. Auch der kleinste Fehler ist gefährlich. Wenn ich mit Fremden rede, stehe ich ihnen nicht direkt gegenüber, damit ich keine Tröpfchen abbekomme, falls sie husten. Ich bin den ganzen Tag in Alarmbereitschaft.

dpa: Wie gehen Freunde und Familie mit Ihrem Einsatz um?

Wolz: Zuletzt gab es Diskussionen. Obwohl das hier in Liberia nicht mein erster Einsatz in einem Ebola-Gebiet ist. Aber zum ersten Mal haben Freunde zu mir gesagt, ich solle nicht gehen, sondern daheimbleiben. Ich verstehe diese Angst. Aber ich liebe meinen Job. Was wir hier an Leben gerettet haben und aufgebaut haben, ist der Wahnsinn. Und meine Freunde und meine Familie wissen, dass ich mir nichts anderes vorstellen kann.

Das Gespräch führte Rebecca Krizak.


Manche Westafrikaner reagieren skeptisch auf Ärzte in Schutzanzügen (dpa)
Manche Westafrikaner reagieren skeptisch auf Ärzte in Schutzanzügen / ( dpa )
Quelle:
dpa