Bundeskabinett beschließt Pflege-Gesetzentwurf

Recht auf Auszeit

Viele Angehörige gehen über ihre Grenzen hinaus, um sich um pflegebedürftige Angehörige zu kümmern. Nun sollen sie mehr Rechte bekommen - und mehr Geld. Der Familienbund der Katholiken begrüßt den Gesetzentwurf, empfiehlt aber Nachbesserungen.

Pflege von Angehörigen  / © Jens Kalaene (dpa)
Pflege von Angehörigen / © Jens Kalaene ( dpa )

Bei einem plötzlichen Pflegefall in der Familie sollen Arbeitnehmer künftig zehn Tage lang bezahlt im Job pausieren können. Bis zu zwei Jahre können sie zudem künftig im Job kürzertreten: Sie bekommen einen Rechtsanspruch auf sechs Monate Pflegezeit, also auf eine komplette Auszeit - sowie auf bis zu 24 Monate Familienpflegezeit mit einer Reduzierung der Arbeitszeit auf bis zu 15 Stunden. Neu ist eine dreimonatige Auszeit zur Begleitung Sterbender. Einen entsprechenden Gesetzentwurf von Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) beschloss am Mittwoch das Bundeskabinett in Berlin. Jetzt muss noch der Bundestag zustimmen.

Zehntägige Auszeit dient zur kurzfristigen Organisation

Die zehntägige Pflege-Auszeit soll helfen, erste Fragen zu klären, wenn ein Angehöriger plötzlich pflegebedürftig wird. Währenddessen werden laut Gesetzentwurf bis zu 90 Prozent des Nettolohns gezahlt. Das sogenannte "Pflegeunterstützungsgeld" soll nach dem Willen der Bundesregierung von der Pflegeversicherung finanziert werden und rund 100 Millionen Euro ausmachen. Die Pflege-Auszeit gibt es schon, jedoch ohne Lohnfortzahlung.

Zugleich soll das Gesetz auch den Begriff der "nahen Angehörigen" erweitern. Dazu kommen auch Stiefeltern, Schwager und Schwägerinnen sowie lebenspartnerschaftsähnliche Gemeinschaften. Dabei müssen diese Gemeinschaften nachweisen, dass sie seit mindestens einem Jahr zusammen wohnen.

Bessere Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Pflege

Nach den Worten Schwesigs wird in Deutschland die Pflege älterer Menschen "noch nicht hinreichend berücksichtigt". Immer mehr Arbeitnehmer müssten eine Doppelbelastung von Beruf und Pflege stemmen. Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) sagte, Deutschland könne es sich angesichts des zunehmenden Fachkräftemangels nicht leisen, dass Arbeitnehmer, die Angehörige pflegen, "vom Arbeitsmarkt abgehängt werden".

Familienbund der Katholiken fordert Nachbesserungen

Präsident Stefan Becker kritisiert, dass pflegende Angehörige die Darlehen vollständig zurückzahlen müssten. "Die Kosten der Pflege werden so praktisch vollständig privatisiert, obwohl Familien hier die Gesellschaft entlasten", sagte er. Auch werde die Gesamtdauer der Freistellung mit 24 Monaten der Wirklichkeit nicht gerecht.

Zustimmung von Sozialverband VdK

Der Sozialverband VdK nannte die Pflege-Auszeit einen wichtigen Schritt, "damit unser Pflegesystem nicht kollabiert". Pflegende Angehörige entlasten nach Angaben von Verbands-Präsidentin Ulrike Mascher Beitrags- und Steuerzahler um Milliardenbeträge. Eine gesetzliche Regelung sei gut, weil sich gezeigt habe, "dass freiwillige Lösungen in weiten Teilen nicht gegriffen haben", betonte Mascher. Sie kritisierte jedoch die vorgesehenen Ausnahmen. Beschäftigte in Kleinbetrieben würden mit ihrer Pflegesituation allein gelassen und benachteiligt.

Deutschland: 400.000 Berufstätige pflegen einen Angehörigen

Das Familienministerium geht davon aus, dass 2018 rund 7000 Menschen die Möglichkeiten zur Arbeitszeitreduzierung nutzen könnten. 4000 könnten sich demnach für das Darlehen entscheiden. Die Familienpflegezeit hatten im vergangenen Jahr nur rund 150 Menschen genutzt. Nach Angaben des Ministeriums gibt es zurzeit rund 400 000 Berufstätige in Deutschland, die einen Angehörigen pflegen.

 

 


Pflege: Thema wird immer wichtiger  (dpa)
Pflege: Thema wird immer wichtiger / ( dpa )
Quelle:
dpa , KNA , epd