Kölner Sozial-Pfarrer zur Flüchtlings-Hilfe in seiner Gemeinde

"Flüchtlinge nicht Problem, sondern Chance"

Überfüllte Unterkünfte, mutmaßliche Misshandlungen: Flüchtlinge in Deutschland fühlen sich häufig nicht willkommen. Der Kölner Pfarrer Franz Meurer versucht mit seiner Gemeinde gegenzusteuern. Ein domradio.de-Interview.

Syrische Flüchtlinge in Deutschland  (dpa)
Syrische Flüchtlinge in Deutschland / ( dpa )

domradio.de: Was haben Sie für Maßnahmen in Ihrer Gemeinde ergriffen?

Pfarrer Meurer: Wir arbeiten schon seit längerem mit dem Pfarrgemeinderat und dem Kirchenvorstand daran, Räume für Flüchtlinge zur Verfügung zu stellen. Das geschieht natürlich nicht von heute auf morgen, das muss demokratisch entschieden werden. Doch die Gremien haben sich einstimmig dafür ausgesprochen.

Wir haben nun das Pfarrhaus in Vingst ausgebaut, bislang war dort  eine Beratungsstelle für Arbeitssuchende eingerichtet. Jeder hat etwas gegeben und jetzt können wir fünf Räume mit Toilette, Dusche und  kleiner Küche anbieten. Theoretisch könnte hier eine Familie mit sechs Kindern gut unterkommen.

domradio.de: Und wann kommen die Flüchtlinge?  

Meurer: Die Flüchtlinge sind noch nicht da, aber wir haben soweit schon alles eingerichtet und mit der Stadt gesprochen. Alle freuen sich schon. Und das ist sowieso die wichtigste Botschaft.

Derweil arbeiten wir weiter an der Wohnung: Wir haben Blumen gepflanzt, Anwohner haben sich angeschlossen und fünf weitere Beete angelegt. Wir haben eine Wand verputzt und gestrichen. Diese Woche werden Lebensmittel geholt.

domradio.de: Sie sagen so schön: Alle freuen sich. Aber das ist ja nicht überall so?

Meurer:  Nein, aber das muss man im Kopf irgendwie umdrehen. Schon in der Bibel ist von Flüchtlingen die Rede. Ein prominentes Beispiel: Der Heilige Josef auf der Flucht nach Ägypten. Wenn der jetzt in einer Containerunterkunft gewohnt hätte, wäre er zum Alkoholiker geworden. Eine andere unangenehme Situation: Wenn man selber kochen kann und muss sich stattdessen mit dem "Hänkelmännchen" anstellen.

Man muss eigentlich nur in die Bibel schauen, um zu verstehen, was Flüchtlinge sind. Und wenn man in den Himmel will, ist das eine Möglichkeit sich das zu verdienen. Ich kann nur sagen, optimaler als sich für Flüchtlinge einzusetzen, kann es für einen selber auch nicht sein.

Nebenbei gesprochen: Das sind hochintelligente Menschen. Einer der Flüchtlinge hatte zum Beispiel in seinem Heimatland eine eigene Firma, die aber kaputt gebombt wurde. Die Flüchtlinge wollen unbedingt Deutsch lernen, sie sind akkurat. Ich kann nur sagen: Flüchtlinge sind kein Problem, sondern eine Chance.

domradio.de: Brauchen Sie denn da einen Sicherheitsdienst?

Meurer: Einen Sicherheitsdienst muss es ja nicht für die Flüchtlinge geben, sondern Sicherheitsdienste muss es für uns geben – damit wir uns da nicht blöd benehmen. Ein Problem sind natürlich die Massenunterkünfte, wenn man 300 Flüchtlinge in eine große Halle pfercht. Stellen Sie sich vor, Sie müssten jetzt mit 299 anderen Menschen in einem Raum schlafen.

domradio.de: Wie haben Sie reagiert, als Sie jetzt von den angeblichen Misshandlungen in den Flüchtlingsheimen gehört haben?

Meurer: Das ist ja ganz einfach. Wenn man meint, alles muss zum geringsten Preis laufen, dann weiß ich auch, dass auf jedem Bau Arbeiter aus der Ukraine und Mazedonien ausgebeutet werden.

Wenn ich den billigsten Wachdienst nehmen muss, dann ist das Problem ebenfalls vorprogrammiert. Zudem: Eine Stadt wie Köln müsste Flüchtlingsheime vorhalten. Da arbeiten wir auch politisch dran, das deutlich zu machen.

Unser neuer Kardinal hat auch gesagt: Zuerst kommen die Flüchtlinge. Schauen Sie mal das Kloster in Kalk – das wäre verkauft worden, wenn nicht ein neuer Wind wehen würde. Und jetzt kommen Flüchtlinge rein. Das dauert nun natürlich lang, aufgrund des Denkmal- und Feuerschutzes. So ist das eben, wenn man in Deutschland baut.

Ich bin der Meinung: Überall ist Platz, man muss nur zusammenrücken für die Flüchtlinge. Und wenn wir das als Christen schon nicht tun, wer soll es dann überhaupt noch tun?

Das Gespräch führte Susanne Becker-Huberti.


Quelle:
DR